Rezension zu "Die Frau am Pranger" von Brigitte Reimann
Während des 2. Weltkriegs irgendwo in Deutschland auf dem Land: vom eigenen Vater für ein paar Morgen Land ‚verschachert‘, lebt die schmale, blasse 28-jährige Kathrin seit 5 Jahren als Ehefrau von Heinrich Marten auf seinem Hof. Zu sagen hat sie nichts, denn das Heft in der Hand hat – bei Abwesenheit des Bauern - ihre Schwägerin Frieda, die Schwester von Heinrich, die ihn abgöttisch liebt und Kathrin genauso wenig für vollnimmt.
Wir erleben Heinrich gleich zu Anfang seines 3-tägigen Fronturlaubs, bei dem er auf sein Recht als Ehemann pocht und ihm egal ist, wie Kathrin sich dabei fühlt. Mit seiner Schwester wird das Problem ‚zu viel Arbeit auf dem Hof‘ erörtert und er findet die Lösung: ein Kriegsgefangener muss für die schwere Arbeit her!
Und so kommt der ‚Russe‘ Alexej Iwanowitsch Lunjew auf den Hof, wird von Frieda abends in der kalten Scheune eingeschlossen und auch beim Essen kurzgehalten - seine Tage sind ausgefüllt mit schwerer landwirtschaftlicher Arbeit. Nur Katja denkt anders als die Geschwister, die Russen nicht als vollwertige Menschen ansehen – sie möchte ihn fair behandeln und sucht auch Rat bei Trude Meinhardt, die ebenfalls einen Kriegsgefangenen beschäftigt.
Wunderschön und nachvollziehbar ist dann beschrieben, wie sich immer stärkere Bande zwischen Kathrin und Alexej bilden, obwohl dies doch hochgefährlich ist zu jener Zeit. Wir erfahren auch die Lebensgeschichte von Alexej und weiterer Dorfbewohner.
Der vorliegende Roman ist als Debüt der 22-jährigen Autorin 1956 erschienen (und wurde im August 2024 wieder aufgelegt). Sie brach damit Tabus im Nachkriegsdeutschland! Leider verstarb sie schon nach einem kurzen, aber intensiven Leben mit 39 Jahren an Krebs. (Aufschlussreich und interessant fand ich dazu das Vorwort von Carolin Würfel!) Fünf Sterne bekommt dieses Buch von mir und es war definitiv nicht mein letztes von dieser beeindruckenden Autorin!