Cover des Buches Perla (ISBN: 9780307947840)
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Rezension zu Perla von Carolina De Robertis

Aufarbeitung der Vergangenheit

von Anni1609 vor 11 Jahren

Rezension

A
Anni1609vor 11 Jahren
Perla ist Mitte 20, als sich ihr Leben komplett zu verändern scheint. Sie ist wohlbehütet aufgewachsen, ihre Mutter ist Hausfrau, ihr Vater ist beim Militär tätig. Schon als Teenager beginnt Perla sich für die sogenannten „Verschwundenen“ zu interessieren. Bei ihrer damaligen Freundin Romina verfolgt sie die Berichterstattungen über die haltlosen Verhaftungen zahlreicher Regimekritiker, da sie im Elternhaus von solchen Übertragungen abgeschottet wird. Erst als Romina von der Tätigkeit Perlas Vater erfährt, bricht diese den Kontakt zu ihr ab. Perla verleugnet innerlich weiterhin die Verbindung zwischen ihrem Vater und dem Vorgehen des Regimes.
Ab dem Beginn ihrer Volljährigkeit beginnt sie eine Rebellion, wenn auch im schonenden Ausmaß für ihre Eltern. Sie verliebt sich in Gabriel, einen Journalisten, der überwiegend über das Treiben der Diktatur in Argentinien ab Beginn der 70er Jahre recherchiert und berichtet.
Die Veränderung Perlas Leben scheint ihren Beginn in einer Begegnung mit einem „Geist“ zu haben, der eines Tages im Wohnzimmer ihres Elternhauses auftaucht. Trotz anfänglicher Angst, lässt sie sich auf den „Geist“ ein und erfährt im Laufe der Handlung viele Neuigkeiten, die ihr Leben auf den Kopf stellen.

Carolina de Robertis hat mit ihrem Roman „Perla“ dem Leser eindeutig schweren Lesestoff vorgesetzt, der es in sich hat.
Der Hintergrund dieses Romans stellt die in Argentinien vorherrschende Diktatur in den 70er bis 90er Jahren dar. In dieser Zeit verschwinden willkürlich Menschen, die gefangen gehalten und währenddessen gefoltert werden. Anschließend werden die Verschwundenen getötet und „entsorgt“. Im Laufe der Zeit hat sich eine Gegenbewegung gebildet, vor allem bestehend aus Angehörigen von Verschwundenen, die wöchentlich gegen das Regime protestieren und es sich zur Aufgabe gemacht haben, tiefgehende Recherchen über die verschwundenen Menschen anzustellen.
Die Protagonistin des Romans, Perla, ist die einzige Tochter eines Offiziers und seiner Frau. Sie wächst abgeschirmt von Politik und regimekritischen Meinungen auf und beginnt in frühen Jahren umfassende Informationen außerhalb vom Elternhaus zu sammeln. Die Autorin stellt Perla innerlich zerrissen dar, zwischen dem Wissen um die Gräueltaten des Militärs und der Liebe zu ihren Eltern, insbesondere dem Vater. Perla erscheint zudem äußerst verletzlich, ohne sicheren Halt und nach Anerkennung heischend, vor allem in Bezug auf ihre Leistungen im Studium.
Der Roman wird aus Sicht von Perla, als Ich-Erzählerin, wiedergegeben. Die Erzählperspektive wechselt zeitweise zum zweiten Protagonisten des Romans, dem geheimnisvollen Geist, der im Wohnzimmer von Perla erscheint. Dieser berichtet aus seiner Sicht, allerdings in der 3. Person.
Die Handlung verläuft keinesfalls chronologisch. Sie springt andauernd von der vermeintlichen Gegenwart in die Vergangenheit. Die Vergangenheit besteht dabei aus Erzählungen von Seiten des Geistes, als auch aus Erinnerungen von Perla von früheren Geschehnissen. Allerdings wird dem Leser erst ganz am Ende des Romans die eigentliche Erzählperspektive und die Absicht der gesamten Erzählung klar.
Carolina de Robertis baut vor allem auch durch die Art der verschiedenen Erzählperspektiven Spannung auf und setzt dem Leser auch einige überraschende Wendungen vor.
Der Schreibstil der Autorin ist nicht leicht zu lesen. Er ist zwar flüssig, aber durchaus anspruchsvoll. Vor allem der ständige Wechsel der Erzählperspektiven verlangt dem Leser dauerhafte Konzentration ab. Ebenso ist es bei den Dialogen notwendig, aufmerksam zu folgen, da diese ansonsten nicht durchschaubar sind.
Das Cover ist äußerst passend, stellt es doch eine Frau mit unscharfen Konturen dar. Dieses Bild spiegelt sehr gut das Bild von Perla wieder, das sich der Leser von der Protagonistin während der Handlung gemacht hat.
Der Roman ist im Hardcover, mit Umschlag, im Fischer Krüger Verlag erschienen und besteht aus 329 Seiten. Neben einer kurzen Information über die Autorin auf dem Umschlag, verfügt der Roman über keine weiteren Extras.

In meinen Augen handelt es sich bei dem Roman „Perla“ von Carolina de Robertis um anspruchsvolle Literatur, die auch eine Menge geschichtlicher Erkenntnisse für den Leser bereithält. Ein sehr gut recherchierter Roman, der sich eines Themas annimmt, das auch heute noch sehr große Bedeutung, vor allem in Argentinien, hat. Der Roman öffnet Augen und zwingt uns, genau hinzusehen und nicht ständig unangenehme Themen aus unserem Leben auszuschließen.
Noch während der Leseprobe war ich nicht besonders überzeugt von „Perla“, was sich aber schlagartig geändert hat, bereits zu Beginn des Romans.
„Perla“ verzaubert den Leser und nimmt ihn mit in die Vergangenheit Argentiniens. Der Leser begleitet eine junge Frau auf der Suche nach sich selbst.
Anspruchsvoller Roman, der sehr schön zum Nachdenken anregt!
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