Cover des Buches Perla (ISBN: 9783810508539)
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Rezension zu Perla von Carolina De Robertis

Es fault unter der Oberfläche

von brenda_wolf vor 11 Jahren

Rezension

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brenda_wolfvor 11 Jahren

Carolina De Robertis ist mit ihrem Roman „Perla“ ein literarisch großer Wurf gelungen. Sie bringt dem Leser die dunkelste Zeit Argentinien in bewegenden Bildern näher. Sie zwingt den Leser, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzten.

Perla wächst als behütete Tochter in einer wohlgeordneten Welt in Buenos Aires auf. Ihr Papa – Hector – ist ein starker Mann, ein Marineoffizier in makelloser Uniform und Mama ist von Schönheit umgeben. Mamas Welt sind Designerschuhe, Röcke und Blusen. Sie läßt sich jede Woche die Nägel machen und trägt importierte französische Schals. Mama ist die Beherrschung in Person.

Perla, Perlita, sagte ihre Mutter, glaub nicht die Lügen über die Verschwundenen. Du wirst in der Schule Sachen hören, und ich sage dir, sie sind nicht wahr. Perla war all die Jahre brav und vernünftig durch die Welt gegangen, als ob alles in Ordnung wäre, als ob mit ihrer Familie alles in Ordnung wäre, als ob da unter der Oberfläche nichts faulte – bis sie dann aus dem Erwartungsgefüge ausgebrochen war, indem sie sich für Psychologie einschrieb. Das erste Mal, dass sie sich in etwas Wichtigem den Wünschen ihres Vaters widersetzte. Er hatte immer geplant, dass sie Ärztin werden sollte, eine Musterkarriere für eine Mustertochter, der einzige Weg, den er für sie akzeptieren würde, der Weg, den er ihr schon bei ihrer Geburt vorgegeben hatte. Als sie ihm ihre Entscheidung mitteilte sprach er tagelang nicht mit ihr.

Und nun lag in ihrem Wohnzimmer ein tropfnasser Mann auf dem Teppich und brachte ihre Welt ins Wanken. Perla hatte Angst davor, dass die Maske Risse bekam.

Die Autorin Carolina De Robertis schreibt in einer sehr schönen, fast schon poetischen Sprache über eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte Argentiniens. Während der Militärjunta von 1976 bis 1983 verschwanden in dem Land mehr als 30.000 Menschen spurlos. General Jorge Videla führte das Land mit blutigem Terror. Oppositionelle wurden gnadenlos bekämpft, es gab Hinrichtungen, Folter und Zwangsverschleppungen. Ich hab ein bisschen nachgelesen: ungefähr 350 Häftlingslager wurden im ganzen Land eingerichtet. In einem der Lager, La Perla, das traurige Berühmtheit erlangte, waren 1500 bis 2000 Menschen gefangen. Die Menschen dort wurden körperlich und physisch und psychisch gefoltert. Schwangere Frauen wurden zum Teil getötet, nachdem sie geboren hatten. Ihre Kinder gab man zur Adoption an Familien von Offizieren.

Der Roman erschüttert und bewegt zutiefst, trotzdem gab es auch Sätze in diesem Buch, die mich verzauberten. Die Personen waren gut gezeichnet. Ich mochte besonders Gabriel und Romina. Die Verlogenheit ihrer Eltern, die alles schön reden und rechtfertigen, kam mir irgendwie bekannt vor. Gab es das nicht auch bei uns?

Fazit: Ein Buch das ich gerne weiter empfehlen möchte. Es ist nicht ganz einfach zu lesen, hat auch einige verzeihliche Längen, aber die Mühe lohnt sich. Es hallt lange in einem nach und gibt jede Menge Stoff zum Nachdenken.

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