Der Anfang bringt einige interessante und schockierende Erkenntnisse. Danach verliert sich das Buch zu sehr in "wurde geändert, aber zu spät"-Aussagen. Wir haben noch viel vor uns und dieses Buch zeigt Wege auf, wie wir sie ändern könnten.
Caroline Criado-Perez
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Caroline Criado-Perez
Unsichtbare Frauen
Do It Like a Woman
Neue Rezensionen zu Caroline Criado-Perez
Zu meinen guten Vorsätzen für dieses Jahr gehört es, mehr Sachbücher zu lesen. Das fällt mir unglaublich leicht, weil es inzwischen so viele gut geschriebene und leicht lesbare Bücher zu allen möglichen Themen gibt. Im Bereich Feminismus und Datenanalyse ist 2019 das Buch „Unsichtbare Frauen“ erschienen. Die Autorin Criado-Perez hat sechs unterschiedliche Kapitel geschrieben, die sich mit den fehlenden Informationen über Frauen am Arbeitsplatz, im Design oder im Öffentlichen Leben auseinandersetzen. Beispielhaft schlüsselt sie auf, wie ein rein männlicher Blick bei der Stadtplanung zu guten Verkehrsverbindungen aus den Vororten in die Städte führt. Gleichzeitig fehlt oft ein ÖPNV, der Frauen schnell zu den Schulen ihrer Kinder, zu den pflegebedürftigen Eltern und zum Einkauf bringt. Noch immer sind es meist die Männer, die in den Städten arbeiten, während die Frauen bei den (kleinen) Kindern bleiben. So kommt es auch, dass die Straßen als erstes vom Schnee befreit werden, die Fuß- und Radwege, die die Frauen oft benutzen, hingegen nicht oder erst später. Und wer schon Mal bei Glätte oder Schnee einen Kinderwagen geschoben hat, weiß wie sehr das stört.
Lesenswert sind alle Kapitel in dem Buch. Am Nachdenklichsten hat mich aber das Kapitel zu den fehlenden medizinischen Daten gemacht. Obwohl bekannt ist, dass die Geschlechter unterschiedliche Immunsysteme und Hormone haben, aber auch eine unterschiedliche Fett-Muskel-Verteilung, werden viele Produkte nur an männlichen Zellen und an männlichen Tieren (zumindest anfangs) getestet. Der Prototyp ist immer ein weißer, ca. 70 Kilo schwerer und ca. 30 Jahre alter Mann. Das Frauen vielleicht andere Dosierungen benötigen oder Inhaltsstoffe anders vertragen, wird zu wenig beachtet. Das nicht-europäische Frauen hier doppelt benachteiligt sind, ist noch ein anderes Thema. Auch gelten Frauen aufgrund ihres Zyklus` noch immer als „falsch“ und „kompliziert“, also entwickelt man Medikamente für Frauen als würden sie nicht menstruieren.
Das ganze Kapitel lässt mich verwundert zurück, nie hätte ich gedacht, dass wir noch so rückständig sind.
Insgesamt ist „Unsichtbare Frauen“ ein sehr lesenswertes Buch, das strukturelle Diskriminierung aufgrund von fehlender Datenerhebung aufzeigt. Durch die Menge der gut recherchierten Beispiele, wird man beim Lesen allerdings immer wieder sauer. Wie kann es sein, dass viele Fakten den Planern/ Entwicklern/ Entscheidungsträgern bekannt sind bzw. sein müssten, aber sich dennoch nichts ändert? Es wird anscheinend noch immer erwartet, dass Frauen und Frauenkörper sich einfach stärker an Männer anpassen. Dann sollen Frauen sich halt größere Hände wachsen lassen, wenn sie die Klaviertasten besser greifen wollen. Dann sollen Frauen halt die Form ihrer Brüste ändern, wenn ihnen die Milchpumpen nicht passen. Dann sollen Frauen halt die gleichen Anzeichen wie ein Mann für ´nen Herzinfarkt zeigen, wenn sie schnelle Hilfe erwarten.
Ich bin wütend, wie viel wir noch zu tun haben, um gleichberechtigt mit Männern zu leben
Im Original auf english ist es ebenfalls sehr angenehm zu lesen! Die Autorin Caroline Criado-Perez legt mit ihrem Buch ein wahres Meisterwerk der Recherche vor. Sie deckt in den unterschiedlichsten Bereichen (vom Schneeräumen über Produktdesign bis zu öffentlichen Verkehrsmitteln und Medikamentenentwicklung) Gender-Data-Gaps auf, also Lücken in den vorhandenen Daten, die mit Geschlecht zu tun haben. So bemängelt sie häufig, dass Daten nicht nach Geschlecht getrennt erhoben oder ausgewertet werden oder die hieraus entstehenden Implikationen unberücksichtigt bleiben. Wie weitreichend die Folgen hiervon sein können, wird vermutlich selbst eingefleischte Feminist:innen noch schockieren. Doch trotz der unzähligen wissenschaftlichen Studien, die Criado-Perez in ihrem Buch aufgreift und des bestürzenden Fazits, gelingt es der Autorin durch ihren lockeren und persönlichen Schreibstil immer wieder ihre Leser:innen zwischendurch zum Schmunzeln zu bringen. Dieses Buch wurde aus gutem Grund zum Bestseller: Es ist augenöffnend, unterhaltsam und sehr informativ.
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