Stellen Sie sich vor, man könnte durch Gedankenkraft töten. Vielleicht macht einem die Vorstellung Angst. Wie viele von uns wären denn noch am Leben, wenn so etwas möglich wäre? Hätten wir uns vielleicht bereits alle gegenseitig getötet?
Und nun, nehmen wir an, nur ein einziger Auserwählter besäße diese Gabe. Jemand, der seinen Mitmenschen durch überragende geistige Kraft haushoch überlegen wäre.
Der geheimnisvolle Hermann Pennik behauptet genau dies, tun zu können. Er kann die Gedanken anderer lesen und per Kraft seiner Gedanken morden. Er prophezeit den Tod von Samuel Constable und noch am selben Abend verstirbt Constable tatsächlich. Es sieht aus, als wäre er Opfer eines seltsamen Unfalls geworden. Seine Gattin gibt an, sie hätte gesehen, wie er vor ihren Augen gestolpert und die Treppe hinuntergestürzt sei. An seinem Körper lassen sich keine Spuren von Fremdeinwirkung ausmachen. Also nur ein tragischer Unglücksfall, wäre da nicht die Voraussage des mysteriösen Fremden.
Doch es bleibt nicht bei diesem einen Todesfall; schon bald hat Pennik ein weiteres Opfer auserkoren. Wieder tritt der Tod ein, und Pennik hat ein wasserdichtes Alibi, er war nicht einmal in der Nähe der Verstorbenen.
Ein Fall für den genialen Detektiv Sir Henry Merrivale, der es natürlich auch diesmal schafft, Licht ins Dunkel zu bringen und einen perfiden Verbrecher zu entlarven.
Keine Frage, dieser Roman ist hervorragend geschrieben, kommt weitgehend ohne alberne Humoreinlagen aus, welche die Merrivale-Reihe oft kennzeichnen und hat mit Hermann Pennik eine wirklich faszinierende zentrale Figur zu bieten, dessen Motive ebenso unergründlich scheinen wie die Methode mit welcher er es schafft seine Vorhersagen wahr werden zu lassen. Was ihm aber fehlt ist eine Auflösung, die des außergewöhnlichen Konzepts gerecht würde. Die Erklärung dafür, wie die Verbrechen begangen wurden ist, gelinde gesagt, enttäuschend. Der brillante Einfallsreichtum, der Bücher wie „Der verschlossene Raum“ oder „Die schottische Selbstmordserie“ kennzeichnete, fehlt hier vollständig. Die Auflösung ist nicht einmal auf so herrliche Weise bizarr und unglaubwürdig wie jene in „Die Tür im Schott“. Sie ist, wie ich finde, einfach nur langweilig.
Der Originaltitel: „The Reader Is Warned” – ist also in diesem Fall wörtlich zu verstehen. Wer nur einen spannenden Thriller erwartet, wird glänzend unterhalten werden, wer jedoch auf der Suche nach einem gut durchdachten Rätselkrimi mit überraschender Auflösung ist, wird vermutlich enttäuscht sein.