Ich bin gerade mit dem Buchspazierer fertig geworden und er lässt mich tief bewegt zurück.
Aber von vorne: Das Buch ist von der Handlung recht unaufregend und seicht gestartet und nur dank dem super leserlichen Schreibstil und den herrlich nachdenklichen Worten, die da geschrieben standen, war es jedes mal wunderbar weiter zu lesen. Die Handlung nahm mich am Anfang weniger mit, als die schöne, bildhafte Sprache. Hier zum Beispiel zwei Zitate:
"In jedem Buch ist ein Herz, das zu pochen beginnt, wenn man es liest, weil das eigene Herz sich mit ihm verbindet."
"Der Hausherr hätte gerne viele Worte über Bücher und Autoren mit Carl gewechselt, den er als gebildeten Mann mit guten Manieren kannte, als einen verwandten Geist. Aber ihm waren mit der Zeit die Worte für Einladungen abhanden gekommen. Er musste sie irgendwo in den vielen Zimmern seiner großen Villa verloren haben."
Es ist eine große Kunst, etwas nicht besonders aufregendes so zu schreiben, dass es den Leser trotzdem mitnimmt und bei der Stange hält. Davor ziehe ich den Hut!
Die Handlung nahm dann immer mehr Fahrt auf, die Konflikte wurden erkennbar. Sabine Gruber, die Chefin der Buchhandlung, war richtig schön gemein, sodass man sie absolut nicht leiden konnte. Vom Versprechen, welches sie ihrem Vater gegeben hatte, Carl immer weiter die Bücher austragen zu lassen und diesen dann doch systematisch aus der Buchhandlung herausgeekelt hat, ihre Verweigerung Carl an das Totenbett ihres Vaters zu lassen, obwohl dieser es ausdrücklich gewünscht hatte, sowie Carl und eigentlich auch alle anderen von der Beerdigung ihres Vaters fernzuhalten, ließ sie einem immer unsympathischer zu werden. Ich hätte mir ein ein bisschen stärkeres Motiv für ihr Verhalten gewünscht, als dass sie sich von ihrem Vater im Bezug auf Carl immer zurück gesetzt gefühlt hat, aber man kann nicht alles haben. Da war ja auch noch Schaschas Vater und dessen verrückte Eifersucht.
Das Finale, in welchem Carl verprügelt wurde, im Krankenhaus gelandet ist und vergebens darauf wartete, dass ihn irgendjemand besucht, oder sich für ihn interessiert, hat mir das Herz zerrissen. Man hat so sehr mit dem armen alten Mann mitgelitten, dass es fast nicht auszuhalten war. Aber genau diese Art von Gefühlen in seinen Lesern auszulösen und sie mitleiden zu lassen, als würde das Geschriebene gerade wirklich passieren, ist die hohe Kunst des Schreibens!
Zum Glück hat sich noch alles zum Guten gewendet und der arme Carl hat sich vor Einsamkeit nicht zu Tode gehungert. Das hätte ich nicht ertragen.
Das Buch ist spitze und wird zurecht so gelobt! Das ist Literatur, wie sie sein sollte.