Fotografen, die in einer bestimmten Stadt geboren wurden und dort aufwuchsen, sehen in ihr mehr als ein Besucher. Sie betrachten ihre Umgebung anders. Das scheint auf den ersten Blick keine weltbewegende Erkenntnis zu sein, doch ganz so einfach ist es eben auch nicht. Das Bekannte übersieht man schließlich auch oft, weil es eben immer da ist und man sich daran gewöhnt hat. Bei Carter Berg ist das nicht so. Wenn er durch seine Heimatstadt läuft, hat er seine Kamera stets dabei. Anders als die meisten seiner Mitmenschen befindet er sich immer auf Motivjagd.
Was dabei herausgekommen ist, kann man in diesem Bildband betrachten. Interessiert man sich nicht für das Standardbesuchsprogramm in dieser Stadt, sondern schlendert einfach auch einmal durch andere Gegenden, nimmt ihre Bilder auf, riecht ihre Gerüche, ergründet Stimmungen oder versucht den Rhythmus dieser Stadt außerhalb der zentralen Magistralen zu erspüren, dann kommt man vielleicht nach einiger Zeit zu ähnlichen Bildern. Sie berichten vom Leben dort und weniger von den Illusionen, die sonst gerne im Vordergrund stehen.
Während Carter oft Details zeigt, die man sonst gerne übersieht, etwa in der unglaublich reichhaltigen Gestaltung von Häuserfassaden, ist er dann gelegentlich vielleicht etwas zu verliebt in seine Entdeckungen. Man weiß manchmal nicht genau, in welcher Stimmung er gerade war oder was er in diesem oder jenem Bild tatsächlich sah. Der Betrachter begreift solche Botschaften vielleicht nicht immer. Eben weil er die Orte nicht kennt und viel weniger sinnliche Informationen als Carter besitzt.
Am meisten hat mich das Bild gefesselt, das den Central Park in der Mitte und an seinem Rändern die plötzlich auftauchenden Häuserschluchten zeigt. Wahrscheinlich ging das nicht nur mir so, denn dieses Bild erscheint sofort, wenn man das Buch aufschlägt und auch wenn man es wieder verlässt. Man weiß nicht, ob die Natur die Stadt erobert, ob es umgekehrt ist oder ob man sich wohl im Status quo befindet. Nirgendwo anders scheint es jedenfalls einen solch abrupten Übergang zu geben.
Leider wird man bei den meisten Bildern nicht nachvollziehen können, wo sie aufgenommen wurden, denn diese Angaben fehlen ebenso wie technische Details. Carter wollte wohl Stimmungen und besondere Sichtweisen zeigen, was ihm gut gelungen ist. Deshalb kam es ihm scheinbar mehr auf den Augenblick und ein vor seinem Auge auftauchendes Motiv als vordergründig auf den künstlerischen Gesichtspunkt an.
New York mit den Augen eines New Yorkers