Rezension zu "Cyberpsychologie - Leben im Netz: Wie das Internet uns verändert" von Catarina Katzer
Leben im Netz...
Als ehemalige Studentin der Psychologie habe ich mich natürlich gefreut, als dieses Buch herausgebracht wurde. Einfach alles in einem Buch aufgefasst und Zusammenhänge erklärt. Vorbei die Verzweifelte Suche nach einzelnen Studien, die es zur Zeit kaum gibt. Und gerade jetzt, wo die Hassisten und Pessimisten, die Stalker und Mobber das Netz besiedeln, fragt man sich nach den Hintergründen.
Zugegeben: ich hab ganz schön lange gebraucht, um dieses Buch komplett durchzulesen. Aber es ist ja auch kein niedlicher Roman, sonder ein Sachbuch. Das sollte man berücksichtigen, wenn man es kauft. Dabei sollte man auch bedenken, dass die Sprache, nicht zwingend umganssprachlich ist. Frau Katzer spielt hier nicht den Erklärbär, sondern setzt eine gewisse Intelligenz und Aufnahmefähigkeit voraus - was mir sehr gefallen hat. Ihr Buch ist aufgebaut, wie ein psychologischer Essay - Studenten der Psychologie werden das kennen und damit sehr gut zurechtkommen. Ich habe mir zwischendurch Notizen im Buch gemacht und Abschnitte unterstrichen. Es ist eben ein Buch, mit dem man durchaus arbeiten kann.
Das erste, was ich gemacht habe, als ich das Buch in den Händen hielt: ich habe mir das Literaturverzeichnis angesehen. Ich möchte ja schließlich sicher gehen, dass sich die Autorin den Inhalt nicht nur selbst ausgedacht, sondern fundiert beweisen kann. Und ich wurde nicht enttäuscht. Genauso wenig wie vom Anhang mit den Anmerkungen. Sehr detailliert und genau ausgearbeitet - Frau Katzer weiß offenbar, was sie da tut.
Zum Inhalt:
In diesem Buch werden die Hintergründe erklärt, warum wir uns im Netz so verhalten, wie wir es tun. Teilweise haben wir online eine ganz andere Identität, als im Reallife.
Diese Hintergründe werden hier beleuchtet und mit vielen Beispielen erklärt.
Zunächst wird das Internet als Koordinatensystem für unser Handeln deutlich gemacht. Welchen Einfluss hat es auf unser Bewusstsein, unser Zeitgefühl, unsere Selbstwahrnehmung. Dieses Kapitel legt den Grundstein für die weiteren Abschnitte in diesem Buch, deshalb sollte man es sich aufmerksam durchlesen. --- Notizen machen...
In den nächsten Kapiteln geht es zunächst um die Netzeffekte - also, was passiert online mit unserem Denken, Fühlen und Verhalten. Wie kommen Shitstorms zustande, warum machen wir das und warum machen wir das mit? Was passiert mit Opfern von Mobbing und wieviele Menschen sind davon betroffen. Werden wir empathielos und grausam, wenn wir zu viele Kriegsbilder sehen - jeden Tag, ununterbrochen?
Im dritten Kapitel wird beleuchtet wie wir uns im Internet selbst darstellen: Das Internet als Bühne. Tracke mich, dann bin ich! Sind wir nur wer, wenn wir so viele Klicks wie möglich ergattern? Was macht das Internet mit mir? Wie stelle ich mich dar? Und warum bin ich trotzdem einsam, auch wenn ich tausende Klicks für meinen Post bekommen habe?
Im letzten Kapitel - und das ist das interessanteste - werden Möglichkeiten dargestellt, wie man sich kompetent im Internet verhält, wie man mit seiner Privatsphäre umgeht und wie man bestimmte Post einzuschätzen weiß. Hier wird besprochen, warum wir eine neue Medienethik brauchen - stellt euch eine Party vor, auf der sich jeder benimmt wie er will --> das geht im Internet auch nicht! Wir sollten lernen uns selbst zu kritisieren, zu verbessern und daraus zu lernen. Hier geht auch ein Blick nach vorn: wie soll unsere Zukunft im Netz aussehen? Was sollten Politik und Gesellschaft anders machen, oder woran sollte man noch arbeiten.
Dieses Buch ist wahrlich sehr interessant. Gerade vor dem aktuellen politischen Hintergrund ist es sehr interessant zu wissen, wie Hater oder Flamer agieren und was sie antreibt. Wie schütze ich mich selbst vor Mobbing oder wie gehe ich am besten damit um. Das Buch beinhaltet schon viele Dinge, die ich im Psychologiestudium bereits durchgekaut habe, jedoch sind ja nicht alle Leser dieses Buches (ehemalige) Studenten dieser Wissenschaft. Daher auch gerade für diese Zielgruppe zu empfehlen.
Kein Buch für Zwischendurch... aber mach schlau!