Catherine Merridale

 3,9 Sterne bei 10 Bewertungen
Autor*in von Iwans Krieg, Lenins Zug und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Die renommierte Russlandhistorikerin Catherine Merridale arbeitete bereits für ihre Dissertation über die KP unter Stalin an der Universität Moskau. Sie promovierte 1987 in Cambridge und war anschließend Dozentin am King’s College/Cambridge. Ab 1993 war sie Professorin für Geschichte an der Universität Bristol, seit 2004 lehrt sie an der Queen Mary University/London. 2007 erschien bei S. Fischer ihr Buch ›Iwans Krieg. Die Rote Armee 1939–1945‹.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Catherine Merridale

Cover des Buches Iwans Krieg (ISBN: 9783596173860)

Iwans Krieg

 (5)
Erschienen am 07.07.2008
Cover des Buches Der Kreml (ISBN: 9783596197996)

Der Kreml

 (2)
Erschienen am 26.11.2015
Cover des Buches Lenins Zug (ISBN: 9783100022745)

Lenins Zug

 (3)
Erschienen am 23.03.2017

Neue Rezensionen zu Catherine Merridale

Cover des Buches Der Kreml (ISBN: 9783596197996)
A

Rezension zu "Der Kreml" von Catherine Merridale

Der Kreml - im Zentrum der russischen Geschichte
Andreas_Oberendervor 4 Jahren

Catherine Merridales neues Buch lässt sich mit einer Matrjoschka vergleichen. Es enthält nicht eine Geschichte, sondern drei Geschichten, die ineinander verschränkt sind - die Geschichte des Kremls, der Stadt Moskau und des russischen Staates von seinen Anfängen im Mittelalter bis in die Gegenwart. Kaum ein zweites Bauwerk wird so sehr mit Russland assoziiert wie der Moskauer Kreml. Er befindet sich nicht unbedingt im geographischen Zentrum des Landes, kann aber als symbolisches Zentrum Russlands gelten. Der Eindruck, er sei eine Trutzburg, die die Jahrhunderte unverändert und unbeschadet überstanden habe, täuscht. Der Kreml hat Dynastien, Eroberer und verschiedene Regime kommen und gehen sehen; er war zahllosen Feuersbrünsten ebenso ausgesetzt wie Napoleons Sprengmeistern und dem vandalenhaften Wüten der Bolschewiki, die in den 1920er und 1930er Jahren etliche Kirchen und Klöster auf dem Kremlgelände niederreißen und abtragen ließen. Der Kreml wurde so oft umgebaut oder um neue Bauten erweitert, dass sich seine ursprüngliche Gestalt kaum noch erahnen lässt. Fest steht, dass die Anfänge der Bebauung auf dem Kremlhügel mindestens bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen.

Merridales Buch bietet mehr als nur die Geschichte eines architektonischen Ensembles. Aber selbst diese Geschichte wäre für sich allein genommen spannend und faszinierend genug, um erzählt zu werden. Da der Kreml jahrhundertelang als Herrschaftssitz der Moskauer Großfürsten und russischen Zaren diente, bietet es sich an, ihn als Prisma zu benutzen, um die wesentlichen Linien und Leitmotive von acht Jahrhunderten russischer Geschichte herauszuarbeiten. Das Wachstum des Kremls vollzog sich parallel zum allmählichen Erstarken des russischen Staates. Merridale erzählt von den verschiedenen Funktionen des Kremls, von seinen Glanzzeiten und den Zeiten der Vernachlässigung, von der Bedeutung, die er für das russische Volk als Erinnerungsort und Bezugspunkt nationaler Selbstvergewisserung hatte, von seinen vielen architektonischen Metamorphosen, von seiner Anziehungskraft auf in- und ausländische Künstler und Baumeister. Das Nebeneinander von Palästen, Kirchen und Klöstern innerhalb der Kremlmauern verdeutlicht die enge Verbindung von weltlicher und geistlicher Macht im Moskauer Staat. Bis ins späte 17. Jahrhundert diente der Kreml als Fürstenresidenz, Verwaltungszentrum, Krönungsort, Schatzkammer und Herrschergrablege; in Krisen- und Kriegszeiten schützte er die Herrschenden vor rebellierenden Untertanen oder äußeren Feinden. Seit der Verlegung von Hof und Regierung nach Petersburg fristete er jedoch ein Schattendasein. Die Nachfolger Peters des Großen kappten die Verbindungen zum alten Moskauer Reich aber nicht vollständig: Bis hin zu Nikolaus II. kehrten alle Zarinnen und Zaren in den Kreml zurück, um sich dort krönen zu lassen.

Im 19. Jahrhundert wurden die Bauten, Kunstschätze und Archive des Kremls zum Mekka russischer Historiker und Kunstwissenschaftler. Nirgendwo sonst schienen russische Geschichte und russische Kultur in derart konzentrierter Form vorzuliegen. Der Kreml wurde zum Objekt wissenschaftlicher Studien und archäologischer Ausgrabungen. Seine Zeit als Regierungssitz schien ein für allemal vorbei zu sein; die Umwandlung in ein gigantisches Museum, eine "russische Akropolis" zeichnete sich ab. Doch Anfang 1918 verlegten die Bolschewiki die Hauptstadt zurück nach Moskau. Sie verschanzten sich im Kreml. Die neuen kommunistischen Herrscher waren kulturelle Barbaren und hatten keinen Sinn für die Schätze, von denen sie umgeben waren. Einige der ältesten und architekturgeschichtlich bedeutsamsten Kremlbauten fielen der Abrissbirne zum Opfer, ebenso wie weite Teile der Moskauer Altstadt. Wieder wurde der Kreml zu einem Ort, an dem eine kleine, weitgehend unsichtbare Elite Entscheidungen über das Schicksal des Riesenreiches traf, ohne dass die Bevölkerung Einfluss auf diese Entscheidungen nehmen konnte. Für Merridale ist der Kreml auch ein Symbol für das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft in Russland, ein Sinnbild für die Distanz zwischen Herrschern und Beherrschten. Erst unter Chruschtschow gewann der Kreml eine neue Rolle, die er bis heute besitzt - die einer Touristenattraktion. Seine alte Funktion als Schaltzentrale der Macht und Bühne für die Selbstdarstellung des Staates und seiner Führer hat er ebenfalls bis heute behalten.

Der Kreml steht aber keineswegs nur für Selbstisolation und Abschottung nach außen. Im Gegenteil, gerade der Kreml bietet viele Beispiele dafür, wie Russland kulturelle Einflüsse aus dem Ausland aufnahm. Es waren italienische Architekten, die im späten 15. Jahrhundert den Kremlmauern und einigen Kremlbauten eine Gestalt gaben, die sich im Wesentlichen bis heute erhalten hat. Peter I. richtete im Kreml das erste russische Theater nach westlichem Vorbild ein, argwöhnisch beäugt von der orthodoxen Geistlichkeit. Trotz aller geschichtlichen Veränderungen, trotz aller Wunden, die ihm geschlagen wurden, blieb der Kreml bis heute ein Gravitationszentrum, das unablässig Aufmerksamkeit auf sich zieht, an dem niemand vorbeikommt, sei er Politiker, Journalist oder Tourist. Es ist eine erzählerische Meisterleistung, wie Merridale politische Geschichte, Kultur- und Architekturgeschichte miteinander verknüpft. Die im Untertitel angekündigte "neue" Geschichte Russlands bietet sie allerdings nicht. Ihre Ausführungen zur russischen Geschichte sind konventionell und frei von überraschenden Einsichten. Lehrreich, informativ und unterhaltsam ist das Buch aber allemal. Zahlreiche Farbabbildungen sowie einige Karten und Baupläne unterstützen den Text. Leider fehlen Stammtafeln, so dass bisweilen der Überblick über die Verwandtschaftsverhältnisse der Moskauer Großfürsten und russischen Zaren verlorengeht. Die ideale Vorbereitungslektüre für eine Moskaureise! 

(Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im Mai 2014 bei Amazon gepostet)

Cover des Buches Der Kreml (ISBN: 9783100484512)
M

Rezension zu "Der Kreml" von Catherine Merridale

Im Zentrum der Macht und der Geschichte Russlands
M.Lehmann-Papevor 10 Jahren

Im Zentrum der Macht und der Geschichte Russlands

Vordergründig vollzieht Catherine Merridale in ihrem sehr flüssig und eingängig geschriebenen Buch die bauliche Geschichte und die baulichen Eigenheiten des Kreml als „roter Faden“ durch das Buch minutiös nach.

Das Gebäude kennt der Leser am Ende der Lektüre bis in den letzten Winkel hinein, was sowohl der bildkräftigen Beschreibung Merridales als auch den übersichtlichen Karten und Plänen im Buch geschuldet ist.

Hintergründig, vor allem, legt Merridale in ihrer „Gebäudebiographie“ aber ebenso eine übersichtliche, fundierte und hervorragend zu lesende Geschichte Russlands vom 12. Jahrhundert an bis in die Gegenwart hinein.

„Der Kreml ist ein Ort, an dem sich Geschichte konzentriert und an dem jeder Stein mehrere Vergangenheiten zu repräsentieren scheint. Die Wirkung ist hypnotisch“.

Und das ist keinesfalls zufällig im Lauf der Jahre so „bebaut“ worden, weder das „Chaos der Dachverkleidung“ bis hin zu der „überwältigenden Menge von Palästen und uralten Mauern“, es gilt (und das führt Merridale überzeugend dargestellt vor Augen):
„Außerdem ist der Kreml absichtlich so arrangiert worden“.

Eines aber ist der Kreml nicht, und das hat System. Das Gebäude ist nicht “heimelig“ , genauswenig, wie es übersichtlich daherkommt. Es war (und ist) von Beginn an Ausdruck (und dementsprechend in späteren Bauphasen darauf beruhend ausgebaut worden) „Ausdruck des besonderen Charakters der russischen Kultur“ und verweist in seinem Stil „auf die historisch verwurzelte Macht“.

So spiegelt sich vom Bau des Kreml (aus Holz und mehrfach niedergebrannt in den Folgejahren) über die ersten Mauerwerke bin hin zu den goldenen Dächern und darüber hinaus die wechselhafte Geschichte Russlands im Bauwerk wieder, wie der Kreml selbst als „corporate identity“ Signalwirkung in vielfacher Form in das russische Volk immer wieder hinein entfaltet hat.

So wie Anfang des 17. Jahrhunderts das „Goldene“ Ausdruck des Volksgefühls war, das „frische Ideen (nicht) nützlicher sein könnten als überlieferte Frömmigkeit“ und der starken Sehnsucht nach einem „goldenen Zeitalter“, in der Zar in Glanz und Prunk regiert.

So wird auch aus dieser Betrachtungsweise her erklärlich, warum Peter der Große, dem Fortschritt anhängend, Moskau und den Kreml mied und in St. Petersburg seinen Ort der „Weltoffenheit“ anders und neu erbaute. Eine Offenheit dem neuen, den Ideen, der Welt gegenüber, die, wie die neuere Geschichte des Kremls von der Oktoberrevolution an zeigt, sich nicht erhalten hat, sondern wieder in die „Trutzburg“ eingezogen ist.

Aber auch die Phase der „Normalität“, die mit Boris Jelzin im neuen „Zeitabschnitt“ begann und auch unter Putin durchaus über lange Strecken hinweg im Kreml anzutreffen war (und in Teilen noch ist) findet im Buch seinen Niederschlag.

Immer wieder aber ist der Kreml Schauplatz, Symbol und Mittelpunkt der russischen Drehung „um die eigene Achse“, eines starken, verwurzelten, in Teilen nicht nur in der Sowjetzeit irrationalen Patriotismus, eines Ausbaus und Glanzes des Kreml innen wie außen, der sich bei Weitem nicht immer in der tatsächlichen Lage Russlands und seines Volkes widerspiegelt.

Ein interessantes und informatives, gut zu lesendes Buch, dass der „russischen Seele“ und der russischen Geschichte von ganz anders als gewohnter Seite her sich nähert. 

Cover des Buches Iwans Krieg (ISBN: 9783100484505)
Makarenkos avatar

Rezension zu "Iwans Krieg" von Catherine Merridale

Rezension zu "Iwans Krieg" von Catherine Merridale
Makarenkovor 16 Jahren

Faktenreiche Schilderung der Geschitchte der Roten Armee . Keine Klischees und allen Deutschen Opanazimüll in Landser "ich war dabei"-Stil verfassten Publikationen überlegen. Flüssig zu lesen und Guido Knopp-frei.

Gespräche aus der Community

Bisher gibt es noch keine Gespräche aus der Community zum Buch. Starte mit "Neu" die erste Leserunde, Buchverlosung oder das erste Thema.

Community-Statistik

in 24 Bibliotheken

von 2 Leser*innen aktuell gelesen

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks