Rezension zu "Blues im Mittherbst" von Santo Piazzese
Ein Wiedersehen mit Folgen, die immer noch spürbar sind. La Marca – ja, genau der La Marca, der Schnüffler mit der Nase für das Besondere – sucht das Besondere, die Ruhe in Erice. Nicht weit von Palermo, seiner Stadt, entfernt. Mit den Besitzern der Bar, in der er jeden Tag verbringt, ist er schon lang befreundet. Man redet über Dies und Das, philosophiert mal mehr, mal weniger intensiv. Für Lorenzo La Marca ist dies das Besondere, das er sucht … und das er gefunden hat.
„Marlowe“, erschallt es hinter ihm. So hat man ihn wegen seiner Schnüffelnase damals im Biologiestudium genannt. Das ist lange her. Eigentlich hat ihn niemand mehr so genannt seit … seit wann eigentlich?!
Es ist Rizzitano, der mit einem Ruck, mit sieben Buchstaben, La Marca aus der Gegenwart reißt und ihn in die Vergangenheit katapultiert. Rizzitano. Du hier? Das übliche Geplänkel nach so langer Zeit ist nicht gerade von Freude gezeichnet. Dennoch – La Marcas besonderer Moment ist erst einmal dahin.
Der Marsala schmeckt mit einem Mal anders. Er denkt zurück an die Zeit seines Studiums. Biologie. Thunfische hatten es ihm angetan. Dottore wurde er genannt obwohl er sich den Titel noch erarbeiten musste. Alle um ihn herum waren sich aber einig, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde bis er das „angehender“ aus seinen Erwiderungen streichen kann. Und dann waren da noch Wanda, Lombardi und die Fischer auf dem Boot, mit er eine gefühlte Ewigkeit auf dem Meer verbrachte. Und dieser unselige Zwist. Der endete – und für ihn ist es wie gestern – abrupt, unschön, nachhaltig.
Santo Piazzese hat in seiner Palermo-Trilogie La Marca Struktur gegeben. Nun erlaubt er dem Leser Einblicke in La Marcas Vergangenheit. Ausgelassene Ausflüge, tiefgründige Analysen, schlagfertige Dialoge – man kommt aus dem Staunen nicht mehr raus. Die geschliffene Sprache ist eine Wohltat im dichten Dschungel der Krimiwelt. Ohne Pathos ist man schon nach wenigen Zeiten in einer Welt, die nur auf dem Papier längst vergangen scheint. Für La Marca ist die Vergangenheit wieder in sein Leben getreten.
Dieser Ausflug in La Marcas Studienzeit fasziniert wegen der ausgewogenen, fast schon kontemplativen Art und Weise mit einem dramatischen Erlebnis auch umgegangen werden kann. Es ist ein Leichtes sich den Frust und die Verzweiflung von der Seele zu schreien und mit Schuldzuweisungen um sich zu werfen. Santo Piazzese wählt den besonnen Pfad ohne dabei in die „Der Klügere gibt nach“-Falle zu tappen.