Rezension zu "Für einen linken Populismus" von Chantal Mouffe
Ich habe dieses Büchlein als Einstieg in Chantal Mouffe gelesen, kenne aber bereits ein paar andere Vertreter aus der radikalen Demokratietheorie. Ich denke, dass das Buch als Einstieg ganz gut geeignet ist, man aber ein bestimmtes Vorwissen aus der politischen Theorie und insbesondere der linken Kritik an politischen Systemen, repräsentativer Demokratie etc. benötigt, um das Buch einordnen zu können. Mouffe fasst zwar in ihrem Buch einige der Kernaussagen ihres Hauptwerks mit Ernesto Laclau noch einmal zusammen, aber ich kann mir vorstellen, dass man diese nicht so ohne weiteres versteht. Im Kern geht es ihr darum, dass wir in unserer Gesellschaft nicht mehr konstruktiv debattieren und dadurch Probleme nicht bekämpfen können, mit denen bestimmte Bevölkerungsteile konfrontiert sind. Als Folge werden diese anfällig für Rechtspopulismus, da dieser Forderungen formuliert, die im Kern eigentlich emanzipatorisch sind - d.h. beispielsweise die Forderung nach mehr Beteiligung oder Kritik an wirtschaftlicher Ungleichheit. Allerdings liefert der Rechtspopulismus keine Lösungen und ist eien Gefahr. Da die Linke (nicht als Partei, sondern die Bewegung) es aber bisher nicht geschafft hat, große Bevölkerungsteile hinter sich zu vereinen, muss sie ihre Strategie ändern und einen dezidiert linken Populismus entwickeln, um die Forderungen der Bürger*innen in progressive Forderungen zu übersetzen. Hier sollte erwähnt werden, dass Mouffe den Populismusbegriff anders versteht als die meisten von uns, die direkt an die AfD und Trump denken, und davon ausgeht, dass sich ein linker, "besserer" Populismus entwickeln lässt. Und genau hier kann man durchaus kritisch nachhaken, denn man sollte nicht unterschätzen, was für ein reaktionäres Potential in manchen Ängsten und Sorgen steckt und auch, wenn Mouffe herausstellt, dass nicht alle Anhänger*innen rechtspopulistischer Parteien deren Menschenfeindlichkeit teilen, sollte man nicht vergessen, dass diese Menschenfeindlichkeit für sie offenbar kein Problem ist. Deshalb frage ich mich ernsthaft, wie man eine politische Bewegung etablieren möchte, die keine reaktionären oder diskriminatorischen Elemente enthält - erst recht in einer Gesellschaft, in der Diskriminierung und Vorurteile weiterhin weit verbreitet sind. Es besteht die Gefahr, dass man sich für das höhere Ziel einer geschlossenen Bewegung möglicherweise auf Allianzen mit Gruppen oder Menschen einlässt, die nicht reflektiert oder sogar antiemanzipatorisch sind. Sarah Wagenknechts #aufstehen hat dies ganz gut gezeigt, da die Bewegung nicht in der Lage war, sich gegen bspw. islamistische Elemente zu positionieren. Trotzdem gebe ich dem Buch eine gute Bewertung, da ich es als Diskussionsgrundlage verstehe und definitiv der Meinung bin, dass aich die deutsche Linke sich durchaus andere soziale Bewegungen in Europa anschauen und von diesen lernen sollte, denn mit einer Sache hat Chantal Mouffe recht: Solange es keine linken Antworten auf eigentlich linke Themen gibt, wird der Zulauf zu rechtspopulistischen Parteien und Akteur*innen immer größer. Irgendeine Form von konstruktiver Diskussion muss entstehen, die Frage ist nur, wie viel man dabei bereit ist, an Idealen hintanzustellen.