Rezension zu "Das Istanbul-Komplott" von Charles Cumming
Noch immer steht Tom Kell in der Warteschleife, was ihm nicht wirklich gut tut. Umso schneller ist er dabei, als die Chefin des britischen Geheimdienstes ihn bittet, die Umstände des Todes eines Kollegen aufzuklären.
Paul Wallinger war für Tom so etwas wie ein Freund und er glaubt nicht daran, dass sein Tod ein Unfall oder gar ein Selbstmord war. Also macht er sich auf den Weg nach Istanbul und beginnt seine Ermittlungen.
Mein Eindruck:
Irgendwann dämmerte Thomas Kell, dass die Zahl der Beerdigungen im laufenden Kalenderjahr die der Hochzeiten überstieg. Das Istanbul-Komplott, S. 36
Warteschleife
Noch immer steht Thomas Kell beruflich in der Warteschleife, wie auch schon in Die Tunis-Affäre. Dieser Zustand zerrt an seinen Nerven und letztlich auch an seiner Gesundheit. In Das Istanbul-Komplott erfahre ich als Leser ein bisschen mehr darüber, wie es dazu kam und was es mit Zeuge X auf sich hat. Trotzdem (und auch weil Wallinger sein Freund war) erklärt er sich bereit, die Umstände seine Todes zu klären. Einerseits finde ich das sehr löblich, aber auch ein bisschen unverständlich. Aber natürlich hofft er, dadurch wieder einen Fuß in den aktiven Dienst setzen zu können.
Informationsfluss
Viel unverständlicher finde ich sein beinahe blindes Vertrauen in Amelia Leven. Sie gibt ihm nur häppchenweise Informationen, immer nur so viel, wie unbedingt sein muss. Ein bisschen mehr Vertrauen sollte die Chefin des MI6 in ihre Agenten schon haben. Auch als sie bemerkt, dass Tom mehr als nur freundschaftliche Gefühle für Rachel Wallinger, die Tochter von Paul Wallinger, entwickelt, klärt sie ihn nicht über deren Rolle auf. Amelia ist mir von Herzen unsympathisch :-)
Doppelmoral
Im Laufe seiner Ermittlungen deckt Tom eine Menge auf und kommt letztlich einem Doppelagenten, dem sogenannten Maulwurf, auf die Spur. Am Ende stellt sich heraus, dass dieser mit der Doppelmoral im Agentengewerbe nicht zurechtkam – was ich gut nachvollziehen kann. Diese Doppelmoral ist eines der zentralen Themen in Das Istanbul-Komplott und passt durchaus zur aktuellen, realen politischen Lage. Ich bin gespannt, ob dieses Thema Bestandteil der Roman-Reihe rund um Tom Kell bleibt.
Einblicke
Ich fand Tom Kell schon in Die Tunis-Affäre recht sympathisch und durch die vielen Kleinigkeiten, die ich über ihn und sein Leben in Das Istanbul-Komplott erfahren habe, ist er mir schon ein Stück weit ans Herz gewachsen :-) Ich weiß jetzt nicht so genau, wie der typische Agenten-Roman auszusehen hat, aber Charles Cummings Schreibstil und seine Charakterzeichnungen gefallen mir wirklich gut. Nicht sentimental, sondern eher ein bisschen wie auf dem Seziertisch, wird Stück für Stück immer etwas mehr über die Persönlichkeit der Protagonisten aufgedeckt. Es wird gar nicht so viel geballert (dafür gab es eher mysteriöse Todesfälle), es wird auch nicht in jedem Buch (bisher jedenfalls) die Welt gerettet und trotzdem war auch Das Istanbul-Komplott wieder spannend und gab vor allem spannende Einblicke in das Leben der Agenten.
Mein Fazit:Das Istanbul-Komplott ist ein spannender, sehr komplexer Agenten-Roman, abseits von Klischee und James-Bond-Allüren. Ich freue mich auf jeden Fall jetzt schon auf einen neuen Band der Reihe :-)