Rezension zu "Daredevil: So finster die Nacht" von Charles D. Soule
Eine mysteriöse Mordserie, bei der die Opfer alle Inhumans sind und als „Kunstwerke“ missbraucht werden, erschüttert New York. Gemeinsam mit seinem neuen Sidekick Blindspot macht sich Daredevil auf die Jagd nach dem Serienkiller Muse. Nur leider macht ihm sein Job als Bezirksstaatsanwalt die Arbeit als Daredevil wesentlich schwerer, da er nun nicht mehr sein eigener Chef ist und so muss sich Blindspot alleine dem Killer stellen. Doch vorher muss er noch mit Spider-Man in Macau einen sehr wichtigen Aktenkoffer in seinen Besitz bringen …
Zuerst wird dem deutschen Leser das erste Aufeinandertreffen von Daredevil und seinem neuen Sidekick Blindspot aus dem US-All-New All-Different Marvel Point One Nr. 1 präsentiert, damit man sich nicht wundert, weshalb der blinde Superheld nun einen Schüler an seiner Seite hat. Danach geht es nach Macau, wo Daredevil einen Aktenkoffer beschaffen muss. Die Notwendigkeit hierfür wird kurz in der Einleitung zum Band erklärt und hat mit der erneuten Verschleierung seiner Geheimidentität zu tun. Dieser Zweiteiler ist ganz nett und unterhaltsam, offenbart aber auch eine gewisse „Notwendigkeit“ Comicserien untereinander zu pushen, denn so wirklich wichtig ist Spider-Man für die Story nicht und hätte auch durchaus von Blindspot ersetzt werden können.
Dessen Rolle wird dafür im Fünfteiler „Finstere Kunst“ umso wichtiger. Denn durch Matts neue berufliche Ausrichtung, die ebenfalls mit seiner Vergangenheit und der Geheimidentität zusammenhängt, ist dieser als Daredevil auf die Hilfe von Blindspot angewiesen, als es um die Aufklärung der grausamen und mysteriösen Mordserie an Inhumans geht. Dabei kreiert Charles Soule einen spannenden Thriller mit Noir-Elementen der zu Beginn richtig fesselt. Doch spätestens ab dem dritten Kapitel verzettelt sich Soule in dem Versuch aus der Ermittlung und dem Katz-und-Maus-Spiel auch noch einen Politthriller zu machen, indem er die politischen Verwicklungen von New York mit New Attilan, dem neuen Staat der Inhumans mit einfließen lässt. Gerade dieser Teil, als es darum geht Befugnisse zu klären und Machtverhältnisse darzustellen zieht die eigentliche Story nur in die Länge, was letztendlich dazu führt, dass ich zwischendurch schon so meine Probleme hatte, ob ich noch weiterlesen möchte, oder nicht. Letztendlich hat aber der Drang um die Aufklärung der Mordserie und der Wunsch nach dem Wissen über die Beweggründe des Killers überwogen.
Neben Charles Soule als Autor gibt es noch zwei weitere namhafte Künstler, die für die zeichnerische Umsetzung verantwortlich sind. Da wäre zum einen Goran Sudžuka, der den Zweiteiler mit Spider-Man ins visuell rechte Licht zu versetzen versucht und Ron Garney, der sowohl das erste Treffen von Blindspot und Daredevil inszenierte, als auch den „Finstere Kunst“-Fünfteiler. Beide Zeichner haben dabei ihren jeweils eigenen Stil, ähneln sich aber dennoch in gewisser Weise, sodass es zwar zu einem sichtbaren aber nicht störenden Wechsel im Artwork kommt. Auch passen Sudžukas leicht freundlichere Zeichnungen besser zu dem weitaus actionlastigeren Zweiteiler inmitten von Macau mit seinem noblen Auftreten. Dem gegenüber steht Ron Garneys düstere Version von New York. Wo Sudžuka noch etwas Plastisches in seinen Zeichnungen unterbringt setzt Garney hingegen vollkommen auf Zweidimensionalität. Würde man die Farben bei Garneys Artwork entfernen, sähe es wie ein Holzschnitt oder Kupferstich aus. Große schwarze Flächen, die nur von weißen Strichen unterbrochen werden. Keine Grautöne oder sonstige Abstufungen, sondern nur harte Kanten und deutliche Kontraste. Alles wirkt trotz einer gewissen Minimalistik Sudžuka sehr modern, dynamisch und irgendwie direkt.
Die farbliche Unterstützung in diesem Band liefert Matt Milla, der Sudžukas und Garneys Artwork nicht einfach nur ergänzt, sondern stellenweise um sehr interessante Ansätze erweitert. Gerade bei Garney sind es die kleinen aber feinen Akzente, die aus den ohnehin schon sehr gelungenen Zeichnungen kleine Kunstwerke entstehen lassen.
Der Band ist um einiges besser, als das, was sonst auf dem US-Superheldensektor erscheint und daher qualitativ noch eine Stufe über dem bekannten Mainstream. Und dennoch fehlt dem Band das Besondere, dass den Leser dazu bewegt unbedingt mehr von Daredevil lesen zu wollen. Gerade Blindspot und dessen Schicksal rufen zumindest bei mir kaum Emotionen hervor und so wirklich wichtig ist es mir derzeit auch nicht, wie es mit ihm weitergeht. Die Fans des Teufels werden sich sicherlich darüber freuen, dass es neues Material gibt und alle anderen erhalten immerhin einen guten und abwechslungsreichen Band, aber an die früheren Glanzzeiten unter Bendis, Brubaker und Waid reicht er leider nicht heran.