Cover des Buches Oliver Twist (ISBN: 1853260126)
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Rezension zu Oliver Twist von Charles Dickens

Rezension zu "Oliver Twist" von Charles Dickens

von Jari vor 13 Jahren

Rezension

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Jarivor 13 Jahren
Inhalt: Der Junge Oliver Twist wird unter keinem guten Stern geboren. Kein Vater weit und breit, die Mutter stirbt bei der Geburt. Mit der Hoffnung auf ein besseres Leben macht sich Oliver auf den Weg in die Grossstadt London. Doch auch die Stadt hält nicht, was sie verspricht. Oliver trifft auf den Juden Fagin und seine zwielichtigen Leute, die den gutherzigen Burschen zu einem Dieb ausbilden wollen. Wird Oliver jemals ein glückliches Leben führen können oder wird er für immer ein Strassenjunge bleiben? Meine Meinung: Charles Dickens Roman um das Leben des jungen Oliver Twist gehört ohne Wenn und Aber zu den grossen Erzählungen der Weltliteratur und zeigt uns das Leben in London von seiner dunkelsten Seite. Wer sich an die englische Version von "Oliver Twist" wagen will, sollte über gute Englischkenntnisse verfügen, denn Charles Dickens verlangt einem einiges ab, sollte man kein Muttersprachler sein. Das Englisch des 19ten Jahrhunderts ist für uns zumeist fremd und wartet mit Ausdrücken und Worten auf, die wir selten oder gar nie gebrauchen. Man sollte sich also im Klaren darüber sein, worauf man sich einlässt. Nichtsdestotrotz ist es ein wunderbares Erlebnis, Dickens im Original zu lesen. Denn der Autor bedient sich einer sehr schönen Sprache. Anstrengend, aber schön. Auch erhält man einen guten Eindruck der sprachlichen Gepflogenheiten Englands zur damaligen Zeit. Dickens schreckt nämlich nicht davor zurück, einen Strassenjungen wie einen Strassenjungen reden zu lassen. Überhaupt bietet uns Dickens einzigartige Einblicke in das Leben in London Ende des 19ten Jahrhunderts. Wir erleben die damaligen Umstände mit, unter denen die Armen litten und die Reichen es sich gut gehen liessen. Wir folgen Oliver durch dunkle und dreckige Gassen und übernachten in verwitterten Häusern. Daneben flanieren wir durch duftende Gärten und sitzen in warmen Küchen, wir treffen auf undurchschaubare Gestalten und aufopferungsvolle alte Damen. Dickens schafft es also, nicht in die eine oder andere Stimmung abzukippen, sondern versucht, die Balance zwischen dem Schönen und dem Hässlichen zu bewahren. Jedoch behalten die Szenen auf den Strassen und in der Armut die Oberhand, da Dickens uns ja vornehmlich das Leben auf den Strassen schildern möchte. Olivers Abenteuer sind zwar spannend und durchaus real gestaltet, dennoch darf man dem Autoren eine gewisse Langatmigkeit nicht absprechen. Viele Szenen ziehen sich unnötig in die Länge und fordern die Geduld des Lesers. Die vom Verlag gewählte Gestaltung des Buches ist dabei wenig dienlich. Da die Schrift sehr klein ist, hat man das Gefühl, man trete ständig auf der Stelle und komme mit dem Lesen nicht vom Fleck. Ich persönlich störte mich leider auch etwas an der Persönlichkeit Oliver Twists. Zwar ist er, wie alle Charaktere im Buch, liebevoll gezeichnet und in all seinen Gefühlen gut getroffen, aber mir erschien er als eine viel zu passive Hauptperson. Es kam mir so vor, als liesse er sich bloss von den Ereignissen treiben. Die Geschichte wird von den Personen um ihn herum gemacht. Obwohl ich mit Oliver selbst nicht gut klar kam, hat Dickens ein Händchen für interessante Charaktere. In seinem Buch wimmelt es nur so von Figuren, die man erst in ihrer ganzen Persönlichkeit erfassen muss. Zwar sind viele von ihnen stark "gut" oder "böse" gezeichnet, aber es gibt auch einige Figuren, die nicht so klar darstehen. Was hält man von Fagin? Und schliesst man Dodger nicht doch irgendwie ins Herz? Vor allem hat Dickens eine grosse Bandbreite an Charaktertypen, sodass man immer wieder einen neuen Typus Menschen trifft. Dies macht das Buch sehr atmosphärisch. Leider muss man sich dabei oftmals manche Namen wieder ins Gedächtnis rufen. Das Ende des Buches fand ich etwas kitschig und leicht unrealistisch, dennoch ist es gut zu wissen, dass alles irgendwie gut kommt. Aber das weiss man bei diesem Buch bereits, wenn man die erste Seite gelesen hat. Das gehört wohl einfach dazu. Fazit: "Oliver Twist" von Charles Dickens ist ein sehr schöner Klassiker, den man jedoch nicht unbedingt gelesen haben muss. Wer sich für England, und London insbesondere, im 19ten Jahrhundert interessiert, sollte sich dieses Werk jedoch nicht entgehen lassen, da es uns einen ungetrübten Blick auf die Lebensumstände von damals gibt. Für mich war es eine gewisse Herausforderung, das Buch zu lesen und ich bin froh, dass ich es getan habe, auch wenn ich mich nicht wirklich mit Oliver Twist anfreunden konnte. Eine Lektüre in meinen Repertoire, die ich nicht mehr missen möchte.
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