Cover des Buches Finales Manifesto (ISBN: 9783038480419)
Rezension zu Finales Manifesto von Charles Haddon Spurgeon

Ein interessantes Zeitdokument

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Ein eindringliches Zeitdokument, das Einblicke in das theologische Denken der damaligen Zeit gibt und auch heute noch teilweise aktuell ist.

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 9 Jahren
"Finales Manifesto" ist ein Vortrag, den C. H. Spurgeon vor einer Versammlung von Theologen hält. Dieser Vortrag ist in drei Teile gegliedert: die Bibel, die Gemeinde und der Heilige Geist. Spurgeon ruft in seiner Rede die Versammlung dazu auf, an der reinen Bibel, der reinen Gemeinde und am Heiligen Geist festzuhalten und weiterhin für Gott zu kämpfen.

Ich empfinde es als relativ schwierig, für dieses Buch eine Rezension zu schreiben. Das liegt für mich einerseits daran, dass ich selbst Theologie studiert habe und dadurch auch den Inhalt von der fachlichen Seite her beurteile. Und dann kommt noch das Alter dieses Dokumentes hinzu. Spurgeons Sprache und auch sein Stil wirken für heutige Leser antiquiert. Das ist ihm aber nicht anzukreiden - er hat schließlich die Rede für die Zuhörer seiner Zeit geschrieben und nicht für zukünftige Leser. So ist bspw. der starke moralische Zeigefinger ein typisches Merkmal der Predigten seiner Zeit und ist heute größtenteils in der christlichen Welt nicht mehr üblich.

Als Zeitdokument für die christlichen Strömungen finde ich das Buch hochinteressant. Es gibt einen tiefen Einblick in das Denken Spurgeons und den Schwierigkeiten, denen er damals begegnete.

Inhaltlich fällt es mir allerdings eher schwer, seinen Schlussfolgerungen in manchen Bereichen zuzustimmen. Der Klappentext beschreibt seine Rede als Prophetisch. Sie ist zwar heute immer noch aktuell, da sowohl die Evolutionstheorie als auch die historisch-kritische Methode immer noch existieren, aber seine "prophetische" Annahme, dass eben genau diese Theorien innerhalb von 20 Jahren ihren Wert verlieren und man somit wieder zur Bibel zurückkehren würde, hat sich ja nicht bewahrheitet. Im Gegenteil - heute ist es ja fast so, dass die kreationistischen Wissenschaftler in ihrer Verteidigung immer ein paar Erkenntnisse hinter den evolutionistischen Wissenschaftlern hinterher hinken, weshalb eine Verteidigung des Kreationismus für Laien auch sehr schwer möglich ist. Auch die Bibelkritik ist heutzutage in weiten Teilen der christlichen Theologie fest verankert - selbst bei Freikirchen.

Hinzu kommt noch, dass Spurgeon besonders in seinem Teil über die Bibel Inspiration und Bibelforschung miteinander vermischt. Es ist möglich, die Verbalinspiration (d. h. Gott hat die Bibel den Schreibern Wort für Wort diktiert) abzulehnen und dennoch an eine buchstäbliche Sechs-Tage-Schöpfung zu glauben. Hinzu kommt noch, dass Spurgeon seinen theologischen Gegnern signalisiert, dass er sie und ihre Argumente gar nicht ernst nimmt. Er will sich noch nicht einmal ansatzweise damit auseinander setzen, sondern verteufelt sie gleich von vornherein. Mir fehlt hier eindeutig eine differenzierte Betrachtungsweise wie ich sie von einem studierten Theologen (einem Akademiker) erwarten würde. Stattdessen wirkt die Rede an diesen Stellen auf mich, als würde ein Laienprediger sie halten.

Da das Dokument aber inzwischen um die hundert Jahre alt ist, bringt meine Kritik an seiner Rede letzten Endes auch nicht viel - Spurgeon kann sie ja nicht mehr lesen. Was ich aber zudem auch kritisieren kann, ist das Vorwort des Herausgebers. Das Vorwort stellt eine leidenschaftliche Verteidigung von Spurgeons Person dar. Unsachlich wird dargestellt, dass seine Kirche ihn quasi ins Grab gebracht hätte. Ich hätte mir da ein sachlicheres und differenzierteres Vorwort sowie weitere Informationen zur Ausgangslage gewünscht, um die Rede und Spurgeons Person besser einordnen zu können - auch dass seine Biographie am Anfang des Buches Wikipedia als Quelle hat, finde ich etwas seltsam. Ich hätte mir bei einem Sachbuch eher eine bereits veröffentlichte Biographie über Spurgeon als Quelle gewünscht und nicht Wikipedia.

Daher finde ich das Buch als Zeitdokument sehr interessant und aufschlussreich, manche Punkte wie über den Heiligen Geist und die Gemeinde finde ich inhaltlich zutreffend, wenn man den starken, moralisierenden Zeigefinger weglässt. Als wirkliche Auferbauung und Ermutigung für meinen persönlichen Glauben habe ich das Buch leider nicht empfunden. Viele seiner inhaltlichen Punkte waren mir einfach schon bekannt. Es hat mich daher, im Gegensatz zu manchen anderen christlichen Büchern, nicht wirklich berührt, aber ich fand es als Zeitdokument sehr spannend und interessant zu lesen. Daher gibt es drei Sterne von mir.
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