Rezension zu "Das verlorene Wochenende" von Charles Jackson
Als ich die ziemlich beeindruckende Verfilmung von "Das verlorene Wochenende" sah und mir kurz darauf auch noch ein sehr belesener Freund die Lektüre des Buches ans Herz legte, begann ich zu lesen ...
Und der Roman ist viel viel besser als der Film!
Charles Jacksons Roman spielt 1936 in New York an einem Wochenende und wird erzählt aus der Sicht eines Alkoholikers. Don Birnam lebt mit seinem Bruder Wick in einer Wohnung, hat eine Beziehung mit Helen (Co-Abhängigkeit würde man das heute nennen). Er kommt aus guten Kreisen, ist belesen, liebt Musik, Theater, Film, träumt vom Schreiben. Bereits als Kind schrieb er nachts heimlich Gedichte. Aber Don ist auch alkoholabhängig.
Gerade vom letzten Alkoholexzess erholt, lädt ihn sein Bruder auf ein langes Wochenende aufs Land ein. Doch Don lehnt ab, er hat andere Pläne, er sehnt sich in die nächste Bar, er braucht einen Drink.
Und dann erzählt Jackson mit einzigartiger Präzision und in exzellenter Sprache, wie Don in alle Abgründe, in tiefste Tiefen seiner Alkoholsucht stürzt. Er lässt den Leser eintauchen in Dons Gedanken- und Gefühlswelt. Die Schuldgefühle, die Ängste, der Größenwahn und letztlich der Selbstekel wird drastisch aufgezeigt, vom Gefühl der Allmacht geht es bis in die Hölle:
"Was er alles fühlte, dachte! Sein Geist schien über seinen Körper hinauszuwachsen, schien größer zu sein als er selbst, alles zu sehen. Er war berauscht (verdammt, das wusste er), aber da war auch wieder die alte gottähnliche Souveränität " ... "dazu stets die beruhigende Gewissheit, dass gleich hinter dem Gipfel Lethe lag, Lethe, das den neuerlichen Sturz abfangen, die schwindende Ekstase tilgen, Helen und Wick und die ganze stirnrunzelnde, un-verständnisvolle Welt auslöschen würde. Überlebensgroß. Natürlich! Das war der Grund, weshalb er trank!"
Wie weit geht ein Suchtkranker, um seine Sucht zu stillen?
Don stiehlt, Don irrt kilometerweit durch die Stadt, um seine Schreibmaschine zu versetzen, Don lügt und leiht sich Geld. Don landet in der Entzugsabteilung eines Krankenhauses, ohne sich zu erinnern. wie er dort hin gelangte. Don fällt ins Delirium ...
Rückblenden und Erinnerungen an die Kindheit stellen Möglichkeiten für Gründe des Alkoholmissbrauchs in den Raum. Das Ende lies Jackson bewusst offen.
Der Autor schrieb aus eigener Erfahrung. Es war sein Debüt, mit dem er bekannt und erfolgreich wurde, daran aber nicht mehr anknüpfen konnte. Der Film, von Billy Wilder inszeniert und mit 4 Oscars prämiert, wurde dann die größte Konkurrenz für den Roman. Doch an das geschriebene Wort, den Ausdrucksreichtum Jacksons reicht er, wie ich finde, bei Weitem nicht heran ...