„Gastrologik“ von Charles Spence habe ich gern gelesen, einiges über die neue, „erstaunliche Wissenschaft der kulinarischen Verführung“ erfahren, und mich einfach wohl und gut unterhalten gefühlt, daher empfehle ich das Buch auch gern weiter.
Rund 310 Seiten, mit recht viel Text, sind in 14 Kapitel unterteilt. Das Ganze ist wie eine auf einander abgestimmte Mahlzeit arrangiert, sodass man unbedingt mit Amuse-Gueule, so heißt die Einführung, anfangen und sich sukzessiv durcharbeiten sollte: Schmecken (Kap.1), Riechen (Kap. 2), Sehen, Hören, Tasten. Hier wird erzählt, wie sich diese Sinne beim Essen auf die Wahrnehmung auswirken. Dass das Auge mitisst, das kennt man. Aber dass man auch zum Schmecken und Riechen z.B. das Hören und Tasten miteinbezieht, und wie das Ganze zu einem stimmigen Essen komponiert werden kann, Kap. 6, darüber soll man unbedingt selbst lesen. Charles Spencer erzählt leichtfüßig, amüsant und einfach wunderbar.
Zum Autor laut Klappentext: „Charles Spence ist Professor für Experimentalpsychologie an der University of Oxford. Für seine Forschungen erhielt er zahlreiche Preise…“
Etwas Geschichte gibt es auch, Kap. 8, „Essen im Flugzeug“. Das war nicht immer schlecht, wie man erfährt, denn zu den Zeiten hatten die Betreiber der Fluglinien ganz andere Prioritäten. Das gute Essen sollte die Leute motivieren, ins Flugzeug zu steigen.
Ein extra Kapitel gibt es fürs personalisierte Mahl. Spannend.
Bei den Futuristen und ihrer Visionen, wie das Essen der Zukunft aussehen soll, ist Spence am Anfang und am Ende des Buches. Dabei geht er auf die Themen wie „Essen und Big Data“ ein, „Das gesunde, nachhaltige Essen der Zukunft“ und gibt zum Schluss „Tipps für ein gesundes Leben“, die einem verraten, wie man weniger isst und das wenige mit allen Sinnen maximal genießt.
Es gibt in diesen Ausführungen auch jede Menge product placement. Die Namen der favorisierten Restaurants des Autors wie die der populären Getränke und Snacks liest man mehrmals, sodass man unweigerlich an Werbung denkt. Manche Tests und die Schlüsse, die der Autor daraus zieht, scheinen mir nicht auf andere Konsumenten oder insg. übertragbar, z.B. Beim personalisierten Mahl gaben die amerikanischen Testteilnehmer an, dass es ihnen nichts ausmacht, wenn Restaurantpersonal sie vor ihrem Besuch googelt, damit das Essen nach Vorlieben der Gäste gestaltet werden kann. Die Briten dagegen haben darauf eher weniger begeistert reagiert. So verhält es sich mMn auch mit anderen Tests, deren Ergebnisse manchmal als der Wahrheit letzten Schlag präsentiert werden, als sei keine andere Alternative möglich, z.B. Es wird gesagt, dass das Essen, das man selbst zubereitet hat, einem immer besser schmeckt. Hier widerspricht Spence explizit D. Kahnemann, Nobelpreisträger für Psychologie, er hätte unrecht und Spencers Erkenntnisse wären die einzig richtigen. So kann man sich auch interessant machen. Ich bin hier mit Spence nicht einverstanden. Ich kenne genug Beispiele, dass man lieber das Essen bevorzugt, das von jmd anders zubereitet wird, aus einer Fülle von Gründen. Da greift dieses Postulat, das Selbstgemachte wäre einem immer lieber, einfach nicht.
Für wen ist dieses Buch interessant? Für Gastronomen, die nach neuen Erkenntnissen suchen, um ihr Lokal und das Essen besser gestalten zu können. Auch für Marketingleute könnte es nützlich sein, denn hier werden die Erkenntnisse der Gastrophysik preisgegeben, die, wenn angewendet, was z.B. Verpackung angeht, zu höheren Absätzen führen können. Spence erzählt von vielen Experimenten, die er mit seinem Team in den angesagten Restaurants durchgeführt hat, um das Verhalten der Restaurantbesucher zu ergründen, wie sie z.B. auf schnellere oder lautere Hintergrundmusik oder auf die veränderte Beleuchtung: ganz dunkel oder in bestimmte Farben getaucht reagieren. Auch wie man das Essen wahrnimmt, wenn es auf farbigen Tellern oder Schalen oder Tablets (flache Computer sind gemeint) serviert wird, wie man das Essen schmeckt: süßer, salziger, knuspriger, wenn man bestimmte Klänge dabei hört, usw.
Das Buch ist hochwertig gemacht. Festeinband mit goldenen Mustern, so wie man es auf dem Cover sieht. Lesebändchen passend dazu. S/w Fotos, Diagramme, insg. 55 Abbildungen.
Weiterführende Literatur, ca. 12 S., sowie auch die Anmerkungen, ca. 11 S., sind nach Kapiteln geordnet, und stellen hpts. Fachliteratur auf Englisch dar.
Die kürzeren Unterkapitel sorgen dafür, dass man schnell fertig und immer versucht ist, ein Stück und noch paar Seiten weiter zu lesen.
Fazit: Insg. angenehm, amüsant, unterhaltsam. Man erfährt etwas Neues/Anregendes, das man anwenden kann, wenn man z.B. Freunde einladen und ein unvergessliches Mahl zubereiten möchte. Spencer spricht solche Gelegenheiten auch an mehreren Stellen explizit an. Das Buch ist also nicht nur für die Marketing- und Gastroprofies gemeint, sondern für jeden, der sich fürs gute Essen interessiert.