Wieder ein (schwuler) Fantasyroman von Charlotte Engmann - zuletzt las ich ihren "Sturmbrecher" -, der es nicht ganz schafft, mich zu überzeugen.
"Entführung nach Alhalon" hat all die Erotik und Romanze, die mir in "Sturmbrecher" fehlte, dafür ist aber "Sturmbrecher" besser geschrieben, da man sich gut in die beschriebene Welt einfühlen konnte, in "Entführung nach Alhalon" aber die opulenten Settings (Wüstenstädte, Oasen uvm.) wie auch die Personen kaum beschrieben werden. "Entführung nach Alhalon" ist zwar clever mit einer Mischung aus gegenwärtiger Handlung und Rückblende erzählt, blieb aber durch das Fehlen von Beschreibungen manchmal relativ farblos.
Aber das sind nur Nebensächlichkeiten, da ich ein wirkliches Problem mit dem Zentrum des Buches hatte, nämlich mit der Beziehung Shann-Iksander. Shann ist der Sohn eines freien Wüstensheiks, der in die Gefangenschaft des Khedirs (= des Herrschers einer bestimmten Region des Wüstenlandes) Iksander gerät. Bald entfacht die Liebe zwischen ihnen, und die beiden müssen viele Gefahren, Anfeindungen, Abenteuer und Intrigen überstehen. So weit, so spannend. Allerdings ist Iksander sogar älter als der Vater Shans, und Shann ist in seinen Zwanzigern. Solche Beziehungen signifikant älterer Mann - junger Mann finde ich schon im echten Lebens dubios, aber bitte, wo die Liebe hinfällt... Wirklich problematisch ist aber das Rollenverhalten, das dadurch in der Beziehung entsteht. Shann ist bis zu einem gewissen Grad Iksanders Spielzeug und Iksanders Wille frei ausgeliefert - mehrmals betont Shann, dass Iksander der Herr sei. Shann genießt es merkwürdigerweise sogar, von Iksander dominiert und herumkommandiert zu werden. Das geht so weit, dass im Bett Shann nicht in Iksander eindringen darf, selbst, wenn er es gerne wollte. Shann spuckt aber anderen gegenüber immer große Töne, er sei ein freier Mann, kein Spielzeug und seine schwule Beziehung bestehe aus zwei gleichberechtigten, ebenbürtigen Männern. Dem ist aber offensichtlich nicht so, und dieser Konflikt wird zwar manchmal unterschwellig von Shann angesprochen, kommt aber nie zu einer Lösung oder zumindest einer Entwicklung.
Dadurch ist auch das Ende unbefriedigend, das auch die Entwicklung von Iksanders Sohn völlig vergisst. Iksanders Sohn beschimpfte Sann als Iksanders Spielzeug, was er zu einem gewissen Grad auch ist, was aber Shann unheimlich in Rage brachte. Shann trifft Iksanders Sohn wieder, als dieser sich mit einem Jugendlichen vergnügt, der eigentlich unter Shanns Obhut steht. Dies erzürnt Shann maßlos, da er den Jungen für zu jung hält - das Iksanders Sohn aber damit offensichtlich ebenfalls homosexuell ist (wobei in der Welt von Alhalon die Männer grob gesagt entweder bisexuell oder homophob sind), obwohl er sich doch zuvor über Shanns Beziehung so lustig machte, fällt irgendwie unter den Tisch. Iksanders Sohn darf noch einmal kurz in der Handlung auftreten, wie es aber wirklich um ihn steht, erfährt man nicht wirklich, und es kommt auch zu keiner Aussprache mit Shann. Dass Shann sein Vergnügen mit dem Jugendlichen vielleicht unbewusst vom Alters- und Machtunterschied her an seine eigene Beziehung erinnerte, kommt nicht zur Sprache.
Im Nachwort betont die Autorin erstens, wie viele quasi-Lektoren sie nicht hatte - mich wundert aber, dass ihnen diese Widersprüche und Mängel nicht auffielen. Daneben bemerkt Engmann, Shann denke wie eine moderne europäische Frau. Unterm Strich tut zwar Shann, als wäre er frei und selbstbestimmt, in Wirklichkeit kuscht er aber nur und genießt die Unterordnung (und ist ständig eifersüchtig) - das sagt eigentlich nichts Gutes über moderne europäische Frauen ;o) ...
Trotz allem, der Roman ist spannend und ganz gut zu lesen. Die Tücke steckt aber leider im Detail.