Rezension zu "Zwischen mir und mir - Sommerferien in der Psychiatrie" von Charlotte Fritsch
Bücher junger Autorinnen, die deren geistige Verfasstheit zum Thema haben, sind ein heikles Terrain. Für den Leser, weil ihm talentfernes Egoshooting droht; für die Autorin, weil sie eine Gratwanderung zwischen Selbstentblößung und literarischem Anspruch zu meistern hat. Charlotte Fritsch gelingt es mit ihrem autobiographisch inspirierten Debüt „Zwischen mir und mir“ spielerisch, diesen Fettnäpfchen auszuweichen. Sie erzählt schnörkellos die Geschichte der sechzehnjährigen – vermeintlich manisch-depressiven – Christin, die sich nach einem kurzen Arztbesuch unversehens in einer Jugendpsychiatrie wiederfindet; dort lernt sie andere „geisteskranke“ Jugendliche kennen und (manche) lieben und lernt am Ende auch etwas über sich selbst. Soweit der überschaubare Plot. Die Charaktere sind lebendig gezeichnet, auch wenn die Marotte, nahezu allen Figuren merkwürdige Spitznamen zu verpassen bisweilen verwirrt. Aber die Erzählstruktur ist klar und es werden immer mal wieder Rückblenden eingebaut, wodurch sich nach und nach Verhaltensweisen der Hauptfigur erklären, die anfangs befremdlich erschienen. Das alles geschieht recht unaufgeregt, ohne Effekthascherei, obwohl ständig jemand schreit, weint oder verzweifelt. Aber so ist das halt in der Pubertät, denkt sich der Leser, und während er die geschilderten Schicksale verdaut, fällt ihm auf, dass die verhaltensauffälligsten Jugendlichen sehr häufig auch die einsamsten sind: Deren erhoffte Telefonate und Besuche finden in der Regel nicht statt. Das ist keine neue Erkenntnis, aber eine, die während der Lektüre beklemmend konkret und nachvollziehbar wird, wie so manches auf diesen 132 Seiten zum Nachdenken anregt.
„Zwischen mir und mir“ ist eine kurzweilige Lektüre, die durchaus kritisches Potential hat, weil sie die Frage nahelegt, ab wann und ob jugendliches Irresein (Stichwort: Pubertät) als krankhaft zu bezeichnen ist. In „Zwischen mir und mir“ wird aber zum Glück keine Küchenpsychologie betrieben, sondern einfach nur erzählt, authentisch und distanzlos, und zwar die Geschichte einer Sechzehnjährigen im Ausnahmezustand. Und von ihren „Sommerferien in der Psychiatrie“.