Rezension zu "Zen und das alltägliche Wunder" von Charlotte Joko Beck
Die meisten Menschen, die Zen betreiben oder betreiben wollen, verzweifeln daran. Und ich frage mich in diesem Zusammenhang immer wieder, welchen Markt Bücher wie dieses eigentlich bedienen. Oder anders gefragt: Wer praktiziert in Deutschland eigentlich? Vermutlich ernsthaft kaum jemand.
Zen ist reine Praxis. Und sonst gar nichts. Aber das ist für den westlichen Menschen viel zu wenig. Er ist in der Regel erfüllt von Erlösungsgedanken. Und Zen ist für ihn so ein Erlösungsversprechen, schließlich strebt man nach Erleuchtung. Doch was soll das sein? Eine Art Heiligenschein? Die Befreiung von der irdischen Last?
Betreibt man Zen, dann sitzt man im Lotussitz oder dem, was ihm irgendwie nahekommt da und beobachtet sich selbst. Und dann kommen Gedanken, an denen man nicht festhalten soll, damit sie wieder verschwinden. Aber das Karussell hört nicht auf. Dann soll man auf seinen Atem achten. Das klappt auch wieder nicht, weil man anfängt bewusst und unnatürlich zu atmen. Wieder nicht losgelassen. Und irgendwie ist man dieses verdammte Sitzen nicht gewohnt. Es beginnt zu schmerzen. Vor allem aber braucht man Resultate. Und die wollen nicht kommen. Je mehr man sie sich erwünscht, umso weniger kommen sie.
Die Hürden sind hoch. So hoch, dass die meisten voller Ungeduld scheitern und frustriert sind. Um loszulassen, muss man das Loslassen gelernt haben. Der übliche Kreisschluss also, auf den man immer wieder trifft, wenn man eine grundlegende Veränderung herbeiführen will. Es hilft nur Geduld und ewiges Probieren. Irgendwann klappt es dann besser. Und irgendwann spürt man eine wirkliche Veränderung. Und dazwischen liegen schmerzhafte Erfahrungen, denen man sich stellen muss, was man aber eigentlich um jeden Preis verhindern will. Noch so eine Hürde.
Man kann das alles in diesem eigentlich wunderbaren Buch nachlesen. Eigentlich wunderbar soll heißen, dass es viel zu lang ist und sich spätestens ab der Hälfte nur noch in getarnten Wiederholungen übt.
Dieses Buch ist trotz seiner Überdehnung mit der beste Text, den ich je über Zen gelesen habe. Im Nachwort erklärt die Herausgeberin das völlig korrekt. Gewöhnlich kommt Zen als uralte Lehre daher, die für westliche Menschen komisch klingt. Irgendwie altmodisch und aus der Zeit gefallen. Obendrein wird sie von Asiaten in einer blumigen Sprache erläutert, die viel Zweideutigkeit besitzt. Und schließlich sind auch noch die leidigen Esoteriker auf diesen Zug aufgesprungen, die nichts kapiert haben und die alte Lehre eher lächerlich machen.
Zen bedeutet zu sich zu kommen und bei sich zu bleiben. Zunächst befasst sich die Autorin mit den Konditionierungen, die unser Leben so erschweren und derer wir uns selten bewusst sind. Sie entstehen bereits in der frühen Kindheit und sind Tricks, um Aufmerksamkeit und Liebe zu bekommen. Es gibt unzählige Varianten solcher Konditionierungen. Im Buch ist es vor allem der Glaube an die eigene Wertlosigkeit, verbunden mit der Überzeugung, nicht liebenswert zu sein. In der Folge betteln Menschen nach Aufmerksamkeit und Liebe und rennen so in ihr Unglück.
Sitzen hilft dagegen. Aber man sitzt nicht deswegen. Man sitzt für keinen Zweck und für kein Ziel, denn das verdirbt sofort alles. Man sitzt einfach und beobachtet sich, frei von Urteilen. Das ist sehr schwer, aber alles andere führt in einen Kreislauf des Frustes.
Es ist schwer, etwas zu beschreiben, das sich nur schwer oder gar nicht in Worte fassen lässt. Durch Zen kommt man in einen anderen Zustand, körperlich und mental. Aber nur, wenn man sich das nicht als Ziel setzt. Das widerspricht aber unserer üblichen Herangehensweise. Wir suchen Lösungen. Aber in diesem Fall gibt es sie nicht. Jedenfalls nicht so, wie wir sie uns vorstellen.
Wie gesagt: Das ist eines der besten Bücher darüber. Aber es ersetzt die Praxis nicht. Man wird auch kein Pianist, indem man Bücher über Pianisten liest. Das steht im Buch und ist eine einfache, aber oft unterschätzte Wahrheit.