Die Westhill-Farm
von Bellexr
Kurzmeinung: Fazit: Eine faszinierende Familiengeschichte, die packend und einfühlsam erzählt wird.
Rezension
Eigentlich war der Urlaub dazu gedacht, die Ehe von Barbara und Ralph zu retten. Doch die eigensinnige, aufgeschlossene Anwältin interessiert sich mehr für andere Menschen als für ihren Ehemann Ralph. Lang verdrängte Konflikte drohen an die Oberfläche zu dringen, das stetig stärker werdende Schneetreiben und der nagende Hunger sind auch nicht gerade förderlich, die Stimmung des Ehepaares zu verbessern. Und bald schon ist Barbara über Stunden versunken in dem Manuskript von Frances Gray, die auf der Westhill-Farm aufwuchs und bis zum ihrem Tode hier lebte.
Recht zügig wechselt Charlotte Link in die Vergangenheit zum Anfang des 20. Jahrhunderts und man lernt eine 14-jährige aufmüpfige, starrköpfige und sehr eigenwillige Frances kennen, die todunglücklich in einem Internat lebt und große Sehnsucht nach Westhill-House hat. Die Geschichte der Vergangenheit nimmt bald immer mehr Raum in dem Roman ein und gestaltet sich äußerst unterhaltsam und fesselnd.
Es ist ein aufreibendes, erlebnisreiches Leben für Frances, die fest mit der Westhill-Farm verwurzelt ist. Doch trotz dieser tiefen Verbundenheit geht Frances mit 17 Jahren ihren eigenen Weg und diesen mit allen Konsequenzen. Ihre große Liebe John enttäuscht Frances mit ihrem Verhalten tief, ihre Verbindungen zu den Frauenrechtlerinnen bringt sie ins Gefängnis, ihre Eigensinnigkeit führt sie während des 1. Weltkrieges nach Frankreich mitten hinein ins Kriegsgeschehen und der Bruch mit ihrer Familie lässt sie in einer Firma im Akkord arbeiten. Aber nie verliert Frances ihre Wurzeln aus den Augen, die Westhill-Farm ist ihr Zuhause und dorthin zieht es sie auch wieder zurück, doch die Probleme sind mit der Heimkehr nicht beendet. Eher das Gegenteil ist der Fall.
Charlotte Link versteht es perfekt, beide Geschichten mit einem hohen Spannungspotential und äußerst packend zu erzählen. Ihre Charakterzeichnungen sind absolut gelungen. Die Figuren entwickeln sich durch die verschiedensten Einflüsse, besonders aber durch die beiden Weltkriege, überzeugend weiter. Während Frances große Liebe John Leigh durch ein Ereignis im 1. Weltkrieg dem Alkohol verfällt, zieht sich ihr Bruder George in ein einsam gelegenes Cottage zurück. Die Gräuel des Krieges haben aus dem lebensfrohen Mann ein psychisches Wrack gemacht. Dessen Freundin Alice, vor dem 1. Weltkrieg eine engagierte, selbstbewusste Suffragette, zerbricht irgendwann an den vielen Gefängnisaufenthalten.
Fazit: Eine faszinierende Familiengeschichte, die packend und einfühlsam erzählt wird und durch lebendig agierende Charaktere absolut überzeugt.