Cover des Buches Sturmzeit (ISBN: 9783442374168)
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Rezension zu Sturmzeit von Charlotte Link

Stürmische Zeiten

von MademoiselleMeow vor 7 Jahren

Rezension

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MademoiselleMeowvor 7 Jahren

Als ich den etwas weiter ausladenden Klappentext und von der Dreiecksgeschichte las, wurde mir schon Himmelangst. Etwa doch eine blöde Romanze? Ganz und gar nicht, denn auch wenn Felicias Liebesangelegenheiten eine gewisse Rolle spielen, stehen sie nicht im Vordergrund. Man erfährt viel vom 1. Weltkrieg und von der Wirtschaft der 20er Jahre. Krieg hat mich in Geschichte nie sehr interessiert, aber da es ein beliebtes Thema in Romanen ist, habe ich mittlerweile viel darüber gelernt. Geschichtsunterricht mal anders :). Auch hier lernt man den Krieg wieder von einer anderen Seite kennen. Besser gesagt, von mehreren Seiten. Einerseits durch die Augen von Felicia, erst als Krankenschwester, später als Kriegsgefangene und Flüchtling von Russland nach Estland. Andererseits durch die Augen von Felicias Bruder Christian auf dem Schlachtfeld oder ihres Onkels Leo, der desertiert. Hier kann man nur wieder die verschiedenen Erzählperspektiven loben. Man bekommt damit so unendlich viel mehr mit, das fand ich wirklich klasse, aber eben auch schockierend. Das mit den Börsencrash, Ende der 20er habe ich nicht so ganz verstanden (Zahlen, nicht meine Stärke). Aber die ganzen Umstände danach, die vielen Schicksale jener, die alles verloren haben, hat man an dieser Stelle auch sehr gut rübergebracht.

So viel zur Story, aber was ist mit den Charakteren? Nun habe ich ja schon ein Buch von Charlotte Link gelesen („Das Haus der Schwestern“) und auch wenn ich da schon wieder die Hälfte vergessen habe, meine ich mich zu erinnern, das die Hauptperson Frances, ähnlich Charakterzüge hatte wie Felicia. Ein Blick auf meine alte Bewertung bestätigt das, denn auch Felicia wirkt sehr oft kühl. Ein beliebtes Stilmittel von Frau Link? Hinzu kommen aber noch andere schlechte Eigenschaften. Felicia scheinen die Gefühle anderer oft egal zu sein. Sie handelt berechnend und ist sehr Ich-bezogen, auch wenn es immer mal wieder Momente gibt, in denen ihre Stärke anderen zu Gute kommt. Sie sagt sich selbst immer wieder, das sie nicht stehen bleiben und zurückblicken darf. Kein schlechter Rat, um im Leben voranzukommen, denn Sentimentalität lähmt einen. Sie treibt es aber in vielerlei Hinsicht zu weit und erkennt dies zum Ende des Romans auch. Das macht sie zu keiner besonders sympathischen Hauptfigur, andererseits hätte mich ein Gutmensch auch ziemlich genervt. Dann sind mir dann doch die Figuren lieber, die mitunter gravierende Fehler machen. Den davon gibt es im Buch noch reichlich, allerdings mochte ich die lieber, weil sie auch ihre weiche Seite zeigen. Kassandra, Alex‘ Schwester, wirkte oft naiv und schwach, zeigte zum Ende des Romans aber so viel Tragik und Stärke, was mich beeindruckt hat. Genauso Felicias Großmutter Laetitia, das starke Familienoberhaupt. Die Bandbreite an Charakteren ist riesig: kaltherzig, leidenschaftlich, verträumt, naiv, arrogant, egoistisch, stark und schwach. Und das meist innerhalb der Familie. Das macht so einen Roman natürlich unglaublich spannend und vielseitig. Oft geht das in Romanen schief, aber hier bekommt jeder seinen Anteil und es geht auf.

Und bis auf einige sehr berechnende Handlungen der Hauptfigur (eine etwas weichere Seite hätte man ihr schon geben können), habe ich nichts zu meckern. Deswegen bekommt „Sturmzeit“ von mir auch 5 von 5 Sternen. Und jetzt freue ich mich schon auf den zweiten Teil.



Übrigens wurden ja viele Romane von Charlotte Link verfilmt, auch „Sturmzeit“. Ein kurzer Blick auf die Darstellerliste hat mir den Film dann aber sogleich vermiest. Eine blonde Felicia? (Im Buch dunkelhaarig). Ben Becker als Maksim? (Maksim ist im Buch dunkelhaarig, blauäugig und gutaussehend). Nein danke, man muss sich ja nicht jede Buchverfilmung geben. Nicht umsonst haben viele davon einen schlechten Ruf. Auch wenn ich eine würdige Verfilmung von diesem Roman sehr gern gesehen hätte. Aber ich glaube, da ärgere ich mich nur. Deswegen lasse ich die Bilder so in meinem Kopf, wie ich mir alles vorgestellt habe.


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