Was ist das schönste Feedback, das du von Lesern erhalten hast?
In einer der Rezensionen zu "Das Licht der frühen Jahre" steht: „Gleichzeitig hat Charlotte Lyne es geschafft, mir die Geschichte des Films, der damals noch in den Kinderschuhen steckte und sich erst aus dem Schatten lösen musste, auf faszinierende Weise nahezubringen. Ich werde vermutlich nie wieder einen Film ansehen, ohne all diese Dinge im Hinterkopf zu haben, und kann nun nachvollziehen, was Cineasten so begeistert und bewegt.”
Darüber habe ich geweint. Es war so sehr das, was ich in das Buch hineinlegen wollte.
Wann kommen dir die besten Ideen?
Auf Reisen, in Museen, Archiven, im Kino, in Gesprächen … überall da, wo ich Geschichten begegne. Ausdenken kann ich mir keine – ich muss sie finden, aufsammeln und dann ganz festhalten, auch wenn sie in meinen Händen zappeln.
Welche Musik hörst du gerne beim Schreiben?
Beim Schreiben höre ich gar keine Musik, sondern nur die ganz leisen Hoppel- und Knabbergeräusche des Kaninchens, das mein Büro zu seinem Territorium erklärt hat. Während ein Roman entsteht, höre ich abends, nach dem Schreiben, aber jede Menge Musik, die zu Epoche und Setting passt. Ich liebe die gesamte Palette der amerikanischen Musik, die in den Zwanziger Jahren Europa in einen Strudel riss, und habe einen Faible für Filmmusik, höre Barock und Brahms, Jazz und Puccini, Imagine Dragons und The Waterboys, Bob Dylan und zur Zeit in Dauerschleife Paul McCartneys ‚Calico Skies‘.
Hast du ein Lieblingswort?
Von den Namen meiner Kinder abgesehen? Vielleicht Amarcord. Das ist der Titel meines ersten Lieblingsfilms, und es ist auch ein unglaublich schönes Wort, ein Dialektwort aus der Emilia-Romagna und eigentlich eine ganze Schüssel für weitere Worte und Geschichten.
Welches Buch verschenkst du gerne?
Natürlich verschenke ich vorwiegend Bücher, die der Beschenkte sich wünscht. Wenn er aber sagt: ‚Egal, such du aus‘, was durchaus vorkommt, verschenke ich Bücher von Stewart O’Nan, weil ich mir absolut nicht vorstellen kann, dass jemand, der mit mir befreundet ist, Stewart O’Nan nicht von der ersten Seite an verfällt. Mein am meisten geliebtes, am meisten verschenktes ‚Stewart O’Nan‘-Buch ist ‚West of Sunset‘, sein unglaublich zärtliches und ebenso gnadenloses Porträt von Scott Fitzgerald in seinen Hollywood-Jahren.
Gibt es etwas, was du gerne lernen würdest?
Oh ja. Ich wollte, als ich jung war, gern Filmregisseur werden, habe mich nicht getraut und bin so ganz nie darüber hinweggekommen. Manchmal wünsche ich mir auch jetzt noch, nicht zu alt zu sein, um zu lernen, wie man einen Film macht. Zu meinem großen Glück darf ich ab und an ein bisschen an Drehbüchern basteln, lerne da stetig dazu, und dann überkommt es mich manchmal: Na los, Alte. Mach doch einfach. Vielleicht geht es ja doch noch … Zu meinem Glück (und dem meiner Familie) sind am nächsten Morgen grundsätzlich Rechnungen zu bezahlen, sodass ich mich immer wieder einkriege.
Wofür hast du eine Schwäche oder heimliche Leidenschaft?
Die große Schwäche, die große Leidenschaft, die große Liebe und das große Glück meines Lebens ist der Film. Heimlich ist das aber nicht – wer mich kennt, wer unser Haus betritt, wer mit mir mehr als drei Sätze wechselt, kommt daran nicht vorbei …
Daneben habe ich noch viele andere Schwächen, die aber auch alle nicht heimlich sind – von mesopotamischer Geschichte über italienische Renaissance-Dichter, meine Fussballclubs Juventus und Hertha BSC bis zu den Fressgeräuschen von Hauskaninchen.
Ein Satz über dein neues Buch:
An Filme aus Worten glaub‘ ich ja nicht – aber wenn’s welche gäbe, dann hätte ‚Das Licht der frühen Jahre‘ einer sein sollen.
Ein Satz aus deinem neuen Buch:
Ich schummele ein bisschen, ja? Das hier ist mehr als ein Satz, aber es beschreibt vermutlich den Roman am besten:
„Mach mit mir diesen Film“, sagte Stiller. „Es ist ein Film von Krieg und Tod, und ich brauche dich, damit er auch ein Film von Liebe wird.“
Zu guter Letzt: Welche Figur aus einer Buchwelt würdest du gerne treffen? Und was würdet ihr unternehmen?
Ich würde Anthony aus Graham Greenes „England Made Me“ treffen, ihm in irgendeiner Kneipe einen ausgeben und mich dafür bedanken, dass seine Geschichte mich schon mein ganzes Leben begleitet, dass sie mich etliche Male aus dem Dunkel gerettet hat und dass sie bei mir bleiben wird, bis ich sterbe.