Rezension
„There are things in that paper that nobody knows but me, or ever will.“
Jane leidet unter einer depressiven Störung. Auf Anraten (oder sollte ich sagen Anordnung) ihres Arztes, der zufälligerweise auch noch ihr Ehemann ist, soll sie für einige Monate in einem luftigen, hellen Zimmer wohnen. Mit Ausblick auf den beruhigenden Garten. Ohne Ablenkung durch ihre Arbeit, die – sind wir mal ehrlich – ja sowieso nicht sooo bedeutend sein kann. Zeitvertreib für Frauen eben. Doch allein gelassen in ihrem gelb tapezierten Zimmer, fruchtet die Ruhe und Einsamkeit nicht so wirklich. Oder zumindest nicht so wie sie soll.
Gelbe Tapete. Alt, etwas schmuddelig, teilweise nur noch am sprichwörtlich seidenen Faden hängend. Nichts Besonderes, denkt man sich als Leser zuerst. Und doch wird man von der sehr dichten Atmosphäre bald in den Bann gezogen. Bedrohlich ist sie, die Tapete. Garstig. Hässlich. Unheilschwanger, ja schlichtweg gefährlich. The Yellow Wallpaper ist eine unglaublich eindringliche Kurzgeschichte, der geistige Verfall, der Realitätsverlust Janes wird von der Autorin so plastisch dargestellt, dass einem manchmal sprichwörtlich die Nackenhaare zu Berge stehen. Gleichzeitig ist die Geschichte auch ein Spiegel ihrer Zeit, in der Begriffe wie weibliche Hysterie oder geistige Gesundheit noch völlig anders aufgefasst wurden als heutzutage. In der der Ehemann bzw. der Gott in Weiß, noch über alle Zweifel erhaben waren. Gilman hat in ihre kleine, feine Kurzgeschichte viel mehr gepackt, als andere Autoren in ihre 300-Seiten-Schinken. Selbst wer für Kurzgeschichten sonst nicht viel übrig hat, sollte sich diese nicht entgehen lassen.