Cherie Jones

 4,5 Sterne bei 15 Bewertungen

Lebenslauf

Cherie Jones ist Anwältin und lebt auf Barbados. 1999 gewann sie den Commonwealth Short Story Prize. Anschließend studierte sie 2015 Kreatives Schreiben in Sheffield Hallam, wo sie sowohl den Archie Markham Award als auch den A.M. Heath Prize gewann. Im Jahr 2015 erhielt sie außerdem ein Vollstipendium des Vermont Studio Centre. »Wie die einarmige Schwester das Haus fegt« ist ihr erster Roman.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Cherie Jones

Neue Rezensionen zu Cherie Jones

Cover des Buches Wie die einarmige Schwester das Haus fegt (ISBN: 9783293209978)
aus-erlesens avatar

Rezension zu "Wie die einarmige Schwester das Haus fegt" von Cherie Jones

aus-erlesen
Geduld zahlt sich aus

Es braucht nur wenig, um das Leben zu ändern. Lala weiß das. Und trotzdem ergibt sie sich ihrem Schicksal. Immer nur Vorwürfe. Ihr ganzes, junges Leben lang. Und dabei ist Lala eine gebildete Frau. Immer höflich. Ihre Großmutter, die Lala Wilma nennt, nicht Großmutter, Oma oder Nana, bemängelt nicht, dass Lala keine karibische Schönheit ist. Das ist – in den Augen Wilmas – der einzige Vorteil der jungen Frau. Denn so kommt sie nicht auf dumme Gedanken. Denn wer dumme Gedanken hat, tut bald auch dumme Dinge. So wie in der Legende vom einarmigen Mädchen. Die konnte sich auch nicht beherrschen und griff in den Tunnel, vor dem man sie ihr ganzes Leben lang warnte. Und … ab war der halbe linke Arm. Wie soll sie denn nun das Haus fegen – so eine Reaktion von der eigenen Familie. Das vergisst man doch fast den Schmerz und den Verlust…

Lala hat noch beide Arme, ihren Verstand und ein Baby. Doch bevor das zur Welt kam, überfielen Lala plötzlich unheimliche Schmerzen. So stark, dass sie an der Tür der Nachbarn klopfte. Nicht stark genug den Schuss nicht zu hören. Ebenso nicht stark genug, um zu erkennen, dass Adan, Lalas Mann, mit einer Waffe aus dem Haus kommt. Was ist passiert? Adan hat doch nicht etwa … nein, das nicht. Aber…

Im Krankenhaus sitzt sie nun mit Adan im Wartebereich. Dass ihr niemand helfen kann, nimmt sie teilnahmslos zur Kenntnis. Im Baxter’s Hospital ist sowieso nichts wie es in einem normalen Krankenhaus sein soll. Toilettenpapier auf er Toilette, Hilfe bei Komplikationen – nicht hier. Die Schwestern reagieren nur, wenn man zu viel und vor allem zu laut schreit vor Schmerzen.

Lalas Leben wird von nun an eine anderes sein. Ja, sie ist jetzt Mutter (wenn auch nicht lange). Und sie kennt ein Geheimnis. Eines, das Adan nicht schmecken wird. Der brutale Kerl ist das genaue Gegenteil eines fürsorglichen Gatten. Er passt aber in Lalas Leben, in dem sie immer nur Schlechtes erfahren hat. Jetzt wird der Spieß umgedreht. Nur gut, dass sie nicht auf den Kopf gefallen ist…

Cherie Jones präsentiert eine Karibik, die man in keinem Reiseprospekt findet. Hart, roh, und so gar nicht traumhaft romantisch. Ihre Karibik, Barbados, ist schmutzig, brutal, verkommen und trostlos. Aber es ist auch eine Karibik des Auf- und Umbruchs. Lala wird ihr Leben verändern. Auch wenn der Auslöser nun wahrlich kein freudiges Ereignis ist. Ihr Wissen um den Mord wird ihr die Augen und so manche Tür öffnen…

Cover des Buches Wie die einarmige Schwester das Haus fegt (ISBN: 9783959881852)
Gwhynwhyfars avatar

Rezension zu "Wie die einarmige Schwester das Haus fegt" von Cherie Jones

Gwhynwhyfar
Atmosphärische Noir-Literatur der Extraklasse

«Aus diesem Grund ist Martha blind vor Tränen, als sie um sieben Uhr morgens in die falsche Richtung die sanft geschwungene Auffahrt der Baxter’s Plantation hinuntergeht, eine Auffahrt, gesäumt von Palmen, an denen der Legende nach immer noch schwer die Seelen der Sklaven baumeln, die in Zuckerrohrsaft getaucht und hier angebunden wurden, um sie von den Bissen der roten Ameisen quälen zu lassen.»


Die Legende von der einarmigen Schwester sollte Lala eigentlich davor warnen, was mit Mädchen geschieht, die ihren Müttern nicht gehorchen. Großmutter Wilma hatte sie ihr erzählt, wie deren Großmutter sie schon erzählte: Geh nicht in die Tunnel! Die Pfarrerstochter hatte die Warnungen ihrer Mutter nicht beachtet, war nachts hinausgeschlichen und verlor in den unterirdischen Tunneln ihren Arm, als sie einem Monster begegnete. Mit nur einem Arm kann man nicht das Haus fegen. So nimmt dich kein Mann zur Frau! Doch für Lala hört nicht auf die Oma, heiratet den falschen Mann und verliert gleich zu Beginn des Kriminalromans auf schreckliche Weise ihr Baby. Dieses tote Baby ist der Dreh- und Angelpunkt. 


«Alle wissen, dass Männer wie Tone zum festen Inventar des Strandes gehören, ein gebilligter Teil des Ökosystems, das dort gedeiht. Aber Tone ist an diesem Morgen kein Gigolo, Tone ist ein besorgter Liebender, und deshalb glaubt er, vielleicht Verdacht zu erregen.»


Lalas Mann Adan ist ein charismatischer Typ, der Frauen anzieht, dem Männer gehorchen. Ein kleinkrimineller Bandenboss, der durch Brüche in Villen und kleinen Drogengeschäften sein Einkommen verdient, der aber nach Größerem strebt, dem fetten Drogengeld. In der Nacht, als Baby auf die Welt kommt, löst eine Kette von schrecklichen Ereignissen bei einem Einbruch etwas aus, das das Leben aller Beteiligen verändern wird. Ein Paar wacht auf, ein Handgemenge, ein Schuss löst sich, ein Mann verstirbt. Baxter’s Beach, Barbados, ein Karibikparadies für reiche Touristen. In diesem Noir-Roman wird die düstere Seite der Sonnenscheininsel beschrieben. Glimmer auf der einen Seite und bittere Armut der Einheimischen in Strandhütten und baufälligen Häusern auf der anderen: prekären Familienverhältnisse, toxische Männlichkeit, Drogen, Prostitution, Vergewaltigung und jede Menge Gewalt gegen Frauen. 


«… das Mal, als er sie, mit Baby immer noch in ihrem Bauch, am Gesicht packte, über die Kante der Betontreppe hielt … damit sie aufplatze wie eine Wassermelone, das Mal, als er ihr ein geschärftes Buschmesser so dicht an die Kehle hielt, dass sich, als er sie endlich losließ, eine dünne Linie mit Blutströpfchen quer über die Luftröhre zog; das Mal, als er sie über die fünfundzwanzig Stufen an den Haaren hinaufzerrte, so dass die Haarbüschel, die ihren Kampf bezeugten, am folgenden Tag die Treppe übersäten.»


Oma Wilma konnte Adan nicht ausstehen, hatte Lala gewarnt. Und sie hat ihn doch geheiratet. Der Mann, der ihr befiehlt, was sie zu tun und zu lassen hat, der fremdgeht, der sie aus dem kleinsten Anlass grün und blau schlägt, würgt – selbst wenn er keinen Anlass hat. «Er drückt zu, und ihre Augen werden dunkel, verschleiern wie die Meeresoberfläche an einem regnerischen Tag, ein Meer, unter dessen Oberfläche sie weiter in die Stille sinkt.» Der Mann, der ein Mörder ist und der die Schuld an Babys Tod trägt. Lala will weg von hier! Nur wie soll sie es anstellen, wenn sie kein Geld besitzt – denn ihr Erspartes hat ihr dieser Mann heimlich geklaut. Das Geld, das sie mit dem Flechten von Zöpfen für Touristinnen hinzuverdient. Und da ist Tone, der seinen Unterhalt damit verdient, reichen Damen seine Sexdienste anzubieten. Tone liebt Lala. Doch Tone ist Adan verpflichtet. Von Wilma kann Lala keine Hilfe erwarten, denn die hat sie abgeschrieben, seit Lala bei Adan einzog. Die Polizei sucht nach ihrem Mann wegen Mordes und die Sache mit dem toten Baby, das vorher angeblich entführt wurde, erscheint den Polizisten unglaubwürdig. Die Sache spitzt sich zu. Und vergessen wir nicht die Perspektive der zweiten Mrs. Whalen, Ehefrau des von Adan ermordeten Peter Whalens, die es als hübsche junge Frau zur Gattin eines wohlbetuchten Langzeittouristen gebracht hat. Davon, dass sie ihn als Prostituierte kennenlernte, mag sie nichts mehr hören, denn sie ist nun eine betuchte Britin. Diese Perspektive war mir zu blass, um überhaupt Raum zu erhalten – den sie nämlich nicht ausfüllt, was sie zu einer abgeschnittene Randfigur macht.


Stimmungsvoll und empathisch beschreibt Cherie Jones in diesem Gesellschaftsroman die beiden Seiten des Karibiktraums der Weißen. Der Kolonialismus ist hier nie geendet – mit dem Unterschied: die Sklaven gehören niemandem mehr. Mehrperspektiv, beleuchtet die Autorin die Szene, bezieht Rückblicke ein, um die Figuren auszuleuchten, und wenige historische Hintergründe runden die Story ab. Neben der Armut und Aussichtslosigkeit der Bevölkerung wird ein System von prügelnden Ehemännern, vergewaltigenden Vätern offengelegt. Toxische Männlichkeit, Machismo pur in der übelsten Art – so wie ziemlich überall in Mittel- und Südamerika. Cherie Jones hat eine eigene Handschrift, einen eigenwilligen Stil, nüchtern und schonungslos – und der ist gut. Gleichzeitig blickt sie empathisch auf ihre Protagonist:innen, webt poetisch stimmungsvoll den Zauber der Karibik mit ein. Dann wechselt sie über zu dreckigen Stränden und dreckigen Geschäften. Atmosphärisch entblättert sich eine verdichtete Geschichte, bei der es nicht um die Aufklärung von Verbrechen geht – denn Tat und Täter liegen gleich am Anfang fest. Hier geht es um menschliche Schicksale und um das, was das Verbrechen aus ihnen macht. Noir-Literatur der Extraklasse – Empfehlung!



Cherie Jones ist Autorin und Anwältin und lebt in Barbados. 1999 gewann sie den Commonwealth Short Story Prize, anschließend studierte sie Kreatives Schreiben in Sheffield Hallam, wo ihr sowohl der Archie Markham Award als auch der A.M. Heath Prize verliehen wurde. »Wie die einarmige Schwester das Haus fegt« ist ihr Romandebüt. «How The One-Armed Sister Sweeps Her House» stand direkt auf der Shortlist des «Woman’s Prize for Fiction» und erhielt den 3. Platz für den Deutschen Krimipreis, Kategorie International.


HOW THE ONE-ARMED SISTER SWEEPS HER HOUSE

HOW THE ONE-ARMED SISTER SWEEPS HER HOUSE - is beauty and brutality. Set on the beautiful island of Barbados Jones tells of islanders earning their living as gangsters, prostitutes, drug dealers, and smugglers. They are stuck in a vicious circle of violence that seems to swallow them all.

Gespräche aus der Community

Bisher gibt es noch keine Gespräche aus der Community zum Buch. Starte mit "Neu" die erste Leserunde, Buchverlosung oder das erste Thema.

Community-Statistik

in 23 Bibliotheken

auf 2 Merkzettel

von 1 Leser*innen aktuell gelesen

Worüber schreibt Cherie Jones?

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks