Chimamanda Ngozi Adichies "Dream Count" handelt von 4 Frauen, die ihre Geschichte erzählen. Chiamaka – eine Reiseschriftstellerin mit nigerianischem Hintergrund, die in den USA lebt. Zikora – eine Anwältin in Washington D.C., die alleinerziehend ist und die immer wieder in dem Konflikt von Mutter - Sein und beruflichen Erfolg steht. Kadiatou – Chias Haushälterin, die zusätzlich in einem Hotel arbeitet und dort einen sexualisierten Übergriff erlebt. Und schließlich Omelogor – sie lebt in Nigeria, arbeitet im Bankwesen und bloggt über Beziehungen und Sexualität .
Der Roman überzeugt durch seine erzählerische, introspektivische Vielstimmigkeit und den Mut, weibliche Lebensrealitäten in unterschiedlichen sozialen Kontexten zu beleuchten. Er ist episodenhaft aufgebaut und folgt keiner linearen Erzählstruktur. Dies war zu Beginn für mich etwas verwirrend, ich würde es aber grundsätzlich nicht als Schwäche sehen, denn es ist einfach Ausdruck von der schriftstellerischen Freiheit der Autorin. Manchesmal waren die Episoden atmosphärisch und auch psychologisch sehr dicht, was mir sehr gefallen hat, ein anderes Mal viel zu langatmig. Die Geschichten verlieren sich zwar nicht in Beliebigkeiten, aber es fehlte mir doch der übergeordnete Zusammenhang zwischen den vier Frauen. Ihre Lebenswege sind zwar thematisch verwandt, aber die Verbindungen bleiben sehr lose. Ohne die gelegentlichen Hinweise auf Telefonate oder kurze Begegnungen würden sie fast wie voneinander unabhängige Erzählungen wirken. Dadurch entsteht stellenweise der Eindruck, dass die Figuren nebeneinander statt miteinander existieren. Ich hätte mir außerdem gewünscht, dass jede dieser vier Frauen eine eigene, unverwechselbare Stimme erhält, die ihre jeweiligen Perspektiven mehr voneinander unterscheidbar macht. Zudem fand ich es befremdlich, dass zwei Frauen in der Ich - Form erzählen, während die anderen beiden in der dritten Person erzählt wurden.
Was mich irritiert, eigentlich gestört hat, ist das Männerbild, das der Roman vermittelt. Die männlichen Figuren erscheinen fast durchgängig als schwach, gewalttätig oder egoistisch. Mir ist bewusst, dass feministische Literatur Geschlechterrollen kritisch zuspitzt, um Ungleichheit sichtbar zu machen – dennoch wirkt die Darstellung hier einseitig und lässt kaum Raum für Entwicklungen. Wäre "Dream Count" meine einzige Quelle, um Männer zu verstehen, ich würde wohl keinen kennenlernen wollen. Zudem hat Chia sich für mich viel zu viel an ihren Beziehungen zu Männern definiert, was auf Dauer dann doch ermüdend wurde.
Besonders berührt haben mich die Erzählungen von Kadiatou und Zikora. Kadiatou, weil sie der Liebe wegen in die USA geht und dort darum kämpft mit ihrer Tochter leben zu können, bis es in dem Hotel zum dem sexuellen Übergriff kommt. Diese Geschichte hat Anleihen vom Fall Diallo und Strauss - Kahn, dem sich auch ein Nachwort widmet und in dem die Autorin auseinandersetzt, dass ihre beiden Figuren trotz allem fiktiv sind. Zikora deswegen, weil sie, wie viele Frauen vor die Wahl gestellt wird- Kind oder Karriere und allen damit einhergehenden gesellschaftlichen Wertungen. Männer müssen sich dieser Frage und Wertungen eher selten stellen. Zudem kommt bei ihr noch verschärfend dazu, dass sie alleinerziehend ist.
Insgesamt ist "Dream Count" ein intensiver, vielschichtiger Roman, der wichtige feministische Fragen aufwirft, aber erzählerisch nicht immer zu einer geschlossenen Form findet. Besonders im letzten Viertel bin ich dann sehr lange hängengeblieben, weil es mich lange nicht gefreut hat, das Buch zu Ende zu lesen. Ich bin sehr unentschieden und gebe daher 3,5 Sterne.





















