Rezension zu "Heimsuchungen" von Chimamanda Ngozi Adichie
Während Nkems Eltern noch auf einer vertrockneten Farm Nigerias schufteten, lebt sie nun samt Hausmädchen in Philadelphia. Die Erzählung IMITATION beschreibt, wie sich Nkem dennoch im falschen Leben fühlt. Studentin Chika ist stolz auf ihre in London gekaufte Burberry Handtasche. Als sie mit dieser Tasche und in Begleitung ihrer Schwester durch Kanos Hauptstraße im Norden Nigerias schlendert, kommt es zu ethnischen Gewaltaufständen. Die Zeit der Militärdiktatur Abachas wird für Chika EIN PRIVATES ERLEBNIS, sie, die Christin, versteckt sich mit einer muslimischen Hausa Marktfrau in einem verlassenen Laden und beide verbindet die Angst um ihre Angehörigen.
Geografisch pendeln die 12 Erzählungen Adichies zwischen Nigeria und Nordamerika, zeitlich springen sie durch Erinnerungsschleifen in die 1970er Jahre zurück oder beschreiben unmittelbare Geschehnisse Anfang der Jahrtausendwende. Alle erzählenden Figuren, die oft - wie die Autorin – nigerianische Igbo-Wurzeln haben, stammen aus einer gebildeten, wohlhabenden Mittelschicht. Entweder leben sie in Nigeria hinter hohen Toreinfahrten und auf dem bewachten Unicampus oder sie sind dem nigerianischen Alltag aus Militärdiktatur, Polizeikontrollpunkten, Bandenkriminalität oder sexualisierter Gewalt entkommen, haben das umkämpfte Land ihrer Ahnen verlassen, um in der westlichen Welt Sicherheit und Selbstverwirklichung zu finden. Doch auch dort müssen sie tagtäglich für Freiheit und Ansehen kämpfen.
Alle Erzählungen kreisen um intime Wendepunkte, an denen sich die Figuren in unterschiedlichen Lebenssituationen und auf den verschiedenen Kontinenten fragen, ob sie tatsächlich zu „diesem Land der Kuriositäten und Derbheiten“ (54) gehören. Ob in Lagos oder Abuja, ob in New Jersey oder Princeton, sie suchen Zugehörigkeit und wollen vor allem in ihrer Individualität gesehen werden. Besonders an Adichies Erzählhaltung ist die Beschreibung des wechselhaften und unberechenbaren Verhaltens ihrer Figuren, die Diskriminierung erfahren, aber anderen Menschen ebenso mit Vorbehalten als fremd begegnen. Sehr gerne gelesen!
#namethetranslator: Aus dem Englischen von Reinhild Böhnke
(unbezahlte Werbung, eigenes Exemplar)