Cover des Buches Tage in Cape May (ISBN: 9783896676375)
A
Rezension zu Tage in Cape May von Chip Cheek

Toll!

von AnnetteTraks vor 5 Jahren

Kurzmeinung: Ein spannender Roman, der von der dynamischen Entwicklung der Personen und ihrer Beziehung zueinander lebt.

Rezension

A
AnnetteTraksvor 5 Jahren
Der Roman spielt im Amerika des Jahres 1957:
Henry (20) und Effie (18) sind zusammen in der Kleinstadt Signal Creek in Georgia aufgewachsen. Sie kennen sich seit ihrer Kindheit von der Kirche und Schule, haben in diesem Frühjahr zusammen die Highschool beendet und nun, im September, geheiratet. „Soweit Henry wusste, waren sie beide noch unberührt“ (Seite 8), umso mehr freuen sie sich auf ihre Flitterwochen im Ferienort Cape May an der Ostküste der USA. Dort dürfen sie im Haus eines zur Zeit abwesenden Verwandten wohnen, wo Effie früher oft die Ferien verbracht hat.

Doch zu ihrer Enttäuschung ist die Saison vorbei, die meisten Geschäfte und Restaurants sind geschlossen, die Ferienhäuser stehen leer.

Das junge Paar fühlt sich fremd und fängt schon nach wenigen Tagen an sich zu langweilen, sodass beide beschließen, eher als geplant wieder nach Hause zu fahren.

Doch dann ziehen Leute ins Nachbarhaus ein. Wie sich herausstellt, handelt es sich um Clara, eine Ferienbekanntschaft von früher, die jetzt in New York wohnt. In Cape May will sie es sich für eine Weile mit feierfreudigen Gleichgesinnten gutgehen lassen und lädt die Frischvermählten ein, sich zu ihnen zu gesellen. Nachdem die meisten Gäste bald wieder abgereist sind, bleiben außer Clara nur noch Max, ihr Liebhaber, sowie dessen Schwester Alma. Sie beknien Henry mit Effie, sich ihnen weiterhin anzuschließen. Diese lassen sich von der völlig anderen Lebensweise mitreißen, feiern Partys, gehen segeln, betrinken sich, lassen bald alle sexuellen Hemmungen fallen und steigen zum Spaß in leerstehende Ferienhäuser ein.

Es nimmt eine Entwicklung ihren Lauf, die Henrys und Effies ganzes weiteres Leben prägt.

Resümee:
Dies ist ein höchst interessanter Roman, der vor allem von den Gegensätzen und der Dynamik lebt:

Wir lernen zunächst Henry und Effie kennen – ein junges, recht biederes Paar aus einer Kleinstadt, das seine Flitterwochen in Cape May verbringt. Beide sind in puncto Partnerschaft und Sexualität völlig unerfahren, müssen erst zueinanderfinden. Doch bereits nach ein paar Tagen fangen sie an, sich in dem verlassenen Ferienort miteinander zu langweilen, wollen daher eher als geplant abreisen.

Da zieht ins Nachbarhaus Clara mit einer Clique ein. Sie ist verheiratet, weltgewandt und kein Kind von Traurigkeit. Das Gros – einschließlich ihr Ehemann - reist bald wieder ab, zurück bleiben sie, ihr Geliebter Max und dessen Schwester Alma. Diese gibt sich anfangs gelangweilt und distanziert, entpuppt sich aber als Femme fatale.

Sie drängen Henry und Effie, mit ihnen zu feiern.

Nach anfänglichen Hemmungen geraten die Flitterwöchner im Laufe der nächsten Tage immer mehr in den Sog des lockeren, ausschweifenden Lebens, genießen die Endlos-Party, gehen mit den anderen segeln, betrinken sich, lassen immer mehr sexuelle Hemmungen fallen. Schließlich verlängern sie sogar ihren Urlaub und ziehen ins Nachbarhaus ein.


Sehr anschaulich ist die Gegensätzlichkeit der Örtlichkeiten dargestellt:
Auf der einen Seite der ausgestorbene Ferienort mit seinen leerstehenden Wohnungen, geschlossenen Geschäften sowie Restaurants und Effie und Henry zu zweit einsam im Haus eines Verwandten. In der Ruhe meint das junge, unerfahrene Paar zueinander gefunden, sich zusammen arrangiert zu haben. Seine Zukunft scheint klar vor ihm zu liegen.

Dem steht das Nachbarhaus gegenüber. Vor ihm parken einige Autos, es ist hell erleuchtet, man hört laute Musik und lebensfrohe, ausgelassen feiernde Menschen, die kaum Tabus kennen, sich nicht um gesellschaftliche Regeln kümmern.

Als Effie und Henry mit dieser Welt in Kontakt kommen, wird das labile Gleichgewicht ihrer Beziehung wie durch einen Sturm, der sich zum Orkan auswächst, auf eine existenzielle Probe gestellt.

Als Katalysator fungiert dabei die junge Alma: zunächst gelangweilt und distanziert wirkend, entpuppt sie sich immer mehr als Femme fatale, die es darauf anlegt, Henry zu verführen. Durch sie erkennt er, dass das Leben in jeder Hinsicht noch sehr viel mehr und viel verlockendere Möglichkeiten zu bieten hat, als die ihm vorgezeichneten.

Es geht in diesem Roman um die Qualität der Ehe, Ausleben von Sexualität, verschiedene Facetten der Liebe, dabei immer auch um Loyalität, Verantwortung und doppelbödige Moral.

Damit verbunden ist die Frage nach der Gewichtung von körperlicher, emotionaler und rationaler Bindung an einen Menschen. Gerät eine Beziehung in Schieflage, wenn sich der Schwerpunkt respektive das Gleichgewicht verschieben?

Der Roman spielt zwar im Jahr 1957 vor dem Hintergrund der zu dieser Zeit in Amerika herrschenden moralischen und gesellschaftlichen Verhältnisse, das meiste ist aber auch auf die europäische Gegenwart übertragbar.

Fazit: ein spannender Roman, der von der dynamischen Entwicklung der Personen und ihrer Beziehungen zueinander lebt!

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