Cover des Buches I Love Dick (ISBN: 9781781256480)
Rezension zu I Love Dick von Chris Kraus.

"I love Dick" von Chris Kraus

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 7 Jahren

Kurzmeinung: Kluges, philosophisches Essay über die Kunstszene und weibliches Verlangen.

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 7 Jahren

Autorin: Chris Kraus
Titel: I love Dick
Gattung: Roman, Erzählung, Feminismus, Liebesgeschichte, Anspruchsvoll, Kunstdiskurs, Philosophie
Erschienen: 1997
Gelesene Ausgabe: Serpent's Tail, 2016
ISBN: 978-1-7812-6480
Gelesen auf: Deutsch
Gelesen im: Februar 2017


Zum Buch:
Mit dem provokanten Titel lockt einer der feministischen Klassiker, der nun neu entdeckt wurde und auch zum ersten Mal seit seinem Erscheinen vor 20 Jahren ins Deutsche übersetzt wurde.
In dem Roman-Essay von der Künstlerin Chris Kraus erzählt sie die Geschichte einer ungewöhnlichen Liebe. Der Liebe zwischen dem Ehepaar Chris Kraus, einer eher erfolglosen Künstlerin und Filmemacherin, ihrem Ehemann Sylvère Lothringer und seinem Kollegen Dick. Chris trifft bei einem Abendessen auf Dick und verliebt sich Hals über Kopf in ihn, sie entwickelt eine regelrechte Obsession und beginnt ihm Briefe zu schreiben. Erst beteiligt sich auch ihr Mann an dieser abstrakten Romanze, das Sexualleben der Eheleute blüht unter dieser imaginären ménage-à-trois auf, doch schon bald wird es ihm zu viel und er steigt aus, während seine Ehefrau sich immer mehr in ihre unerwiederte Briefliebe hineinsteigert. Dick wird zu einer Art Tagebuch, dem sie ihr Gefühlsleben offenbart, aber auch einen Kunstdiskurs führt und kunstgeschichtliche Essays schreibt. Das Briefprojekt als performatives Schreiben scheint ein intellektuelles Coming-Out für die Schreiberin zu sein. In einer Art feministischen Konzeptkunst seziert die Künstlerin erbarmungslos die Kunstszene, aber auch weibliches Verlangen und Begehren.
Mir persönlich hat das kluge Buch einer unglaublich starken Frau, die dennoch von Selbsthass teilweise zerfressen zu sein scheint sehr imponiert, gerade weil immer wieder ein böser, gesellschaftskritischer Humor durchblitzt. Natürlich stellt sich die Frage nach dem wahren Kern der Geschichte, die Autorin spielt bewusst damit, allerdings ist es eigentlich absolut irrelevant.
Als Ergänzung zu dem Roman, dessen Übersetzung auch sehr gelungen scheint, gibt es nun seit neustem auch eine Amazonserie mit einem cowboyescken Kevin Bacon als Dick.




Ein Paar der Lieblingsstellen
Zitat 1: "I really resent that part of you, Dick. Intruding on our lives. I mean before that night Chris and I had a good thing going. Perhaps not passionate but comfortable. We could have gone on like that forever and then you came, the rambling man." (S.19)

Zitat 2: "Was Bill bothered that such a marginal sexless hag as me wasn't living in the street. Unlike his favorites, Leslie Thornton und Beth B, I was difficult and unadorable and a Bad Feminist to boot." (S.71)


Zitat 3:"You're shrunk and bottled in a glass jar, you're portable saint. Knowing you's like knowing Jesus. There are billions of us and only one of you so I don't expect much from you personally. There are no answers to my life. But I'm touched by you and fulfilled just by believing." (S.88)


Zitat 4: "My entire state of being's changed because I've become my sexuality: female, straight, wanting to love men, be fucked. Is there a way of living with this like a gay person, proudly?" (S.186)


Stil und Sprache: Schwankt zwischen ordinärem Straßenslang und hochphilosophischen, akademischen Passagen.
Zitat: "Shame is what you feel after being fucked on quaaludes by some artworld cohort who'll pretend it never happened, shame is what you feel after giving blowjobs in the bathroom at Max's Kansas City because Liza Martin wants free coke. Shame is what you feel after letting someone take you someplace past control - then feeling torn up three days later between desire, paranoia, etiquette wondering if they'll call." (S.154)


Schlüssigkeit der Handlung: Das Verhalten der Charaktere war für mich oft nicht nachvollziehbar.


Das hat mir gefallen: Der ehrliche, ungeschönte Blick in die Abgründe menschlichen Begehrens.
Das hat mir nicht gefallen: Teilweise das extreme abschweifen.


In One Sentence: Kluges, philosophisches Essay über die Kunstszene und weibliches Verlangen.
Sterne: 4
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