Die kleine Lena Maria ist 5 Jahre alt, ihr kleiner Bruder Maximilian (Maxi) knapp über 2 Jahre. Gemeinsam mit ihrer Mutter Karla leben sie in einem Mietshaus und erleben leider nicht die typische Kindheit. Besuche im Kindergarten oder das gemeinsame spielen mit gleichaltrigen Kindern kennt Lena Maria nicht.
Denn sie muss sich um ihren kleinen Bruder kümmern, wenn Mama sie mal wieder allein lässt. Oft ist das der Fall, wenn sie mit Freundinnen oder einem Mann ausgeht und dann am frühen Morgen erst wieder kommt und dann bis spät in den Tag hinein schläft.
Nun wird Lena Maria wieder eine schwere Bürde auferlegt. Ihre Mutter will einen Job annehmen, sie beginnt zu kellnern. Das Problem ist nur, dass sich niemand findet, der auf die Kinder aufpassen will. Die Großmutter hat den Namen eigentlich nicht verdient, denn sie interessiert sich nicht für ihre Enkelkinder. Karlas Freundin will mit Kindern nichts zu tun haben und sagt auch umgehend ab, auf die Kinder zu achten.
Also macht Karla zunächst mit den Kindern einen Ausflug um ihnen dann mitzuteilen, dass sie Abends weggeht um zu Arbeiten. Lena Maria bekommt wieder einmal die Aufsichtspflicht für ihren kleinen Bruder Maxi übertragen.
Doch Lea (wie sie von Maxi liebevoll gerufen wird) fühlt sich dieser Situation nicht gewachsen, sie hat selber Angst alleine in der Wohnung, sie bekommt Maxi nur sehr schwer über die Gitterstäbe des Bettchens gehoben, wenn er mal Pipi muss. Doch all dies spielt für die Mutter keine Rolle, sie ist der Meinung Lena Maria ist alt genug und somit hat Lea keine Wahl.
Sie möchte es ihrer Mama ja auch Recht machen, denn so sehr wünscht sie sich, dass sie liebgehabt wird und ihre Mutter so alltägliche Dinge mit ihnen tut wie frühstücken oder ein Buch vorzulesen. Oft beginnen Lena Marias Tage ganz gut, doch dann wechselt die Stimmung weil Lena Maria in den Augen ihrer Mutter wieder einmal etwas falsch gemacht hat und sie die Schuld bekommt. Natürlich nimmt Lea an, dass dies stimmt. Wie soll sie in ihrem Alter auch wissen, dass es nicht normal ist, dass SIE sich um den kleinen Bruder zu kümmern hat.
Als Karla ihre Kinder für einen Tag zur Schwester ihres neuen Freundes bringt, erleben die beiden einige Stunden in einer normalen, intakten Familie. Hannah (10 Jahre) und Felix (7 Jahre) verstehen sich gut mit den beiden, auch wenn sie sich wundern, dass sie über einige Dinge nur staunen, die für sie doch alltäglich und normal sind. Lena Maria und Maxi genießen diesen Tag in vollen Zügen und freuen sich beide auf die Tage, die sie dort verbringen sollen. Denn wenn ihre Mutter gemeinsam mit ihrem Freund für 5 Tage nach Mallorca fliegt, sollen die Geschwister dort wohnen.
Doch leider bekommt Nina (das ist die Schwester des Freundes) vorzeitige Wehen in ihrer Schwangerschaft und muss ins Krankenhaus. Somit können Lena Maria und Maxi nicht dorthin.
Und ihre Mutter denkt nicht einmal im Traum daran, auf den Urlaub zu verzichten. Sie kauft einige Lebensmittel ein und teilt ihrer Tochter mit, dass sie schließlich in einigen Tagen schon wieder zurück sei …
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Dieser Roman hat mich zutiefst erschüttert. Solch ein Auf und Ab, erzählt aus der Sicht der 5-jährigen Lena Maria, dass hat mich wirklich mitgenommen.
Der Roman ist aufgebaut wie eine Tagebucherzählung oder ein Tatsachenbericht.
Kapitel gibt es keine, die Handlung begleitet Lena Maria und ihren Bruder Maxi für einige Tage und ist nur durch Absätze unterteilt.
Die Autorin sagt im Anhang, dass sie selber keinerlei dieser Erfahrungen gemacht hat, sondern die Idee zu dieser Geschichte dadurch entstanden ist, weil es sie selber immer wieder erschüttert, wenn die Medien von verwahrlosten oder halb verhungerten Kindern berichten, die in irgendwelchen Wohnungen aufgefunden wurden.
Umso erstaunlicher wie die Autorin es geschafft hat, diese Gefühlswelt und Eindrücke der Kinder zu Papier zu bringen. Sie hat in einem recht einfachen Stil geschrieben, denn es sind ja die Erinnerungen einer 5-jährigen, die wir lesen.
Lea hat niemanden mit dem sie sprechen kann, außer ihrem Stoffhasen Kalle und ihrem kleinen Bruder Maxi, doch der ist eben zu klein und versteht noch nicht viel. Die Kindersprache des kleinen Maxi ist absolut echt und keinesfalls gekünstelt. Die Autorin hat die Sätze, die Maxi spricht einfach in einer Art Lautschrift zu Papier gebracht, die absolut authentisch ist.
Ich bin ja selber Mutter und konnte alles was Maxi sagt, sofort verstehen und in wie vielen Wortwechseln zwischen den beiden hat sich mir ein Kloß im Hals gebildet.
Immer wieder hat Lea versucht ihrem kleinen Bruder zu helfen, natürlich hat das nicht immer funktioniert. Wie soll auch ein 5-jähriges Mädchen mit einem fiebernden, hustenden Kind umgehen, dass dann auch noch an Magen-Darm erkrankt?
Diese innige Beziehung zwischen den Geschwistern war schon eine extreme. Natürlich war Lea auch genervt von ihrem kleinen Bruder oder wütend auf ihn und sie haben sich gestritten. Doch es lief immer wieder darauf hinaus, dass die beiden nur sich selbst, Kalle und Bää (Maxis Bären) haben. Wenn Maxi dann seine Schwester aus dunklen Kulleraugen anschaut und sagt „Lea lieb“, spätestens dann ist alles wieder gut und Lea überkommt die Schwesternliebe.
Sehr gut war auch beschrieben, wie die Mitmenschen in der nahen Umgebung auf diese Situationen reagieren. Die ständig neugierige Nachbarin, die offensichtlich nie etwas anderes zu tun hat, als aus dem Fenster zu sehen. Genau die spielt dann eine wichtige Rolle, weil sie sich offenbar Gedanken macht und ein Bauchgefühl hat, dass dort in der Nachbarwohnung etwas nicht stimmt.
Dieser Roman ist sehr dramatisch und erschreckend real, doch es gibt auch immer mal wieder schöne und sogar lustige Momente. Das sind dann einige der wenigen guten Stunden, die die Geschwister erleben durften.
Das Ende des Romans hat mir die Tränen in die Augen getrieben und als ich das Buch dann beendet hatte, musste ich mich erst einmal sammeln und runterkommen.
Das Cover ist schlicht, dunkel und zeigt einen einzelnen Babyschuh. Ich finde es sehr gut gelungen, mehr braucht es nicht um den Einband als Hingucker zu gestalten.
Mein Fazit: 5 von 5 Sternen für einen erschreckenden Roman, der sehr real geschrieben ist und die Gefühlswelt von Kindern wunderbar wiedergibt. Eine Geschichte die traurig und wütend macht, den Leser/die Leserin den Kopf schütteln lässt und zu Tränen rührt. Nicht nur für Eltern ein empfehlenswertes Buch, denn waren wir nicht alle mal Kinder?
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