Rezension zu "Jenseits der Dunkelwelt" von Christa Schyboll
"Entführte entführt Entführer - Wie dämlich kann Mann sein?"
Der Roman "Jenseits der Dunkelwelt" der Autorin A.C. Schyboll, aus dem Verlagshaus fhl, hat mir ausgesprochen gut gefallen.
Ein Roman der aus der Menge der neuen deutschen Debüts herausragt, nicht nur durch den humorvollen Inhalt, dem tollen Schreibstil, sondern auch mit der listigen Art, der deutschen Gesellschaft mit einem Augenzwinkern den Spiegel vorzuhalten!
Karl Sandhauser ist Anfang 40, gutaussehend und charismatisch, Vater von drei Kindern, Ehemann einer sehr aktiven und attraktiven Frau, erfolgreich im Beruf und ohne grössere Sorgen.
Ohne grössere Sorgen? Weit gefehlt!
Denn Karl lebt in Deutschland und hatte mal einen Lebenstraum: Schriftsteller wollte er werden, berühmte Stücke wollte er schreiben und damit die Welt ein wenig verbessern.
Während des Literaturstudiums lernte er allerdings seine Ehefrau kennen, wurde Vater und musste sich -wie man es von Mann und Vater erwartet- um den Lebensunterhalt kümmern.
Auf ein Kind folgen zwei weitere und während seine Frau mit der Aufgabe ihres Studiums und der Rolle der Mutter und Ehefrau sehr gut klar kommt, ist für Karl der Lebenstraum, der in ihm schlummert, unendlich weit in die Ferne gerückt.
Aber eben nicht vergessen!
Und je älter er wird, desto mehr drückt ihn die Erkenntnis, dass er nicht das tut, was seine Bestimmung ist, sondern das, was die deutsche Gesellschaft, seine Frau, die Kinder und Arbeitskollegen von ihm erwarten.
Und er sucht nach Auswegen, denn es gibt Werke, die geschrieben werden müssen! Und sei es im Gefängnis!
Ich muss sagen, ich habe mich wunderbar amüsiert! Der Schreibstil erinnert an Tom Sharp, speziell im "Puppenmord", ist aber doch so eigen, dass ich fast sagen möchte, dieses Buch gefällt mir um Längen besser.
Kaum habe ich angefangen zu lesen, zauberte sich ein Lächeln auf mein Gesicht, ein Grinsen, ein Lachen, ich hatte von Minute an wunderbare Laune und grübel nach Beenden des Buches immer noch, wie die Autorin dies geschafft hat!
Sie schildert die Figuren so liebevoll, so intensiv, dass man als Leser der festen Meinung ist, Karl hat in seinen verqueren Gedanken absolut recht!
Er ist Opfer der Gesellschaft!
Und jetzt mal ganz ehrlich! Steckt nicht in jedem von uns ein bisschen Karl? Haben wir nicht alle schon Träume aufgegeben, weil es eben grade nicht passt, was sollen denn die anderen denken?
Wer sich auf die sympathische Familie Sandhauser einlässt, der wird verstehen, dass Karl nicht viel Wahl hat. Aber so ein Plätzchen im Gefängnis zu ergattern ist für einen ehrenwerten Mann gar nicht so einfach. Der erste Versuch ging "natürlich" schief, macht nichts, er versucht es nochmal!
Und da kommt dann die fantastische Genialität der Autorin!
Was kann ein Mann denn verbrechen, damit er für mindestens fünf Jahre ins Gefängnis kommt, wo er endlich Ruhe vor Ehefrau und Kindern hat, ohne dass er morden muss?
Richtig, er entführt!
Aber was passiert, wenn Entführte ins Grübeln kommt und feststellt, dass auch sie unfrei ist, ebenfalls verdonnert, ein Leben nach Erwartung von Gesellschaft zu führen und plötzlich gar nicht mehr gefunden werden möchte?
Also, ich wünsche mir für dieses Buch zahlreiche Leser, die ebenfalls einmal, wenigstens einmal, über ihre Freiheit innerlich und äusserlich nachdenken wollen, diesen subtilen Humor in wirklich jedem Satz wahrnehmen wollen und sich entführen lassen in die Gedankenwelt eines Karl, ich liebe ihn!, der doch so alles hat und wesentliches vermisst. Ich glaube, ich fange das Buch gleich nochmal von vorne an!
Vielen Dank auch für das wunderschöne Cover, ich entscheide mich für die sonnige Seite!