Cover des Buches Das Gedächtnis der Insel (ISBN: 9783896675910)
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Rezension zu Das Gedächtnis der Insel von Christian Buder

Enttäuscht

von Gwhynwhyfar vor 7 Jahren

Rezension

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Gwhynwhyfarvor 7 Jahren
»Wer weggeht und wieder zurückkommt, der findet nicht mehr denselben Ort vor. Alles war in Bewegung und das, was wir kennen, eine Illusion.«

Yann Schneider kehrt aus Paris nach 20 Jahren in die Heimat zurück, eine kleine Insel in der Bretagne. Er will seinen Vater beerdigen, der Selbstmord begangen hat, am gleichen Tag, an dem 30 Jahre zuvor die Mutter starb. Die Mutter, die im Sturm auf einem Boot mit dem Maler Jojo abhauen wollte und ertrank. Eine Nacht, nimmt Yann sich vor, schnell wieder weg. Dort hält ihn nichts, nur böse Erinnerungen, der Tod der Mutter, der Vater, mit dem er nicht klarkam, der damals gleich nach der Beerdigung diese andere Frau, Rykel, ins Haus nahm, die Yann hasst, die immer gern seine Mutter gewesen wäre. Yann hatte ihr das Wort Mutter verweigert. Yann kehrt auch nicht ins Elternhaus zurück zu Rykel, trifft auf Gwenn, seine Jugendliebe, die nun Polizistin ist, auf der Insel Kurzurlaub macht. Gwenn kommt der Suizid merkwürdig vor, sie untersucht den Fall. Und sie stellt fest, der Vater von Yann muss ermordet worden sein. Yann interessiert das nicht, er will weg, möchte auch keine Beziehung mit Gwenn anfangen, die ihn immer noch liebt. Doch nun zieht ein Jahrhundertsturm auf, wer sich auf der Insel befindet, kommt nicht mehr weg. Wer hat Yanns Vater umgebracht? Wer ist Jojo und war der Tod der Mutter vielleicht auch ein Mord? Gwenn will es wissen und sie will Yann. Doch der hält sich die Ohren zu.

»An Rykels Eigenart, in Befehlen zu reden oder Sätze wie Marmorsäulen aus dem Nichts zu schaffen, vor denen Yann als Kind tagelang und manchmal sogar wochenlang zurückschreckte, hatte er sich gewöhnt. ›Ich kann das tun, glaube mir. Ich kann das tun, weil ich es so will.‹«

Sprachlich hat mir das Buch gut gefallen, teils wortgewaltig in der Landschaftsbeschreibung und mit Metaphern, die stimmen, das Buch ist vom Ausdruck eine Lesefreude. Insel, schweres Unwetter, Sturm, ein unaufgeklärter Todesfall, ein Mord … irgendwie ist die Geschichte schon mehrfach erzählt worden. Mir fehlte eine echte Story, eine Bereicherung. Diese Handlung, in Abwandlung, wurde schon oft erzählt und gelinde gesagt, sie sagt mir auch nichts. Das ist schlicht meine persönliche Meinung. Von Plotaufbau betrachtet, steht die Tür sperrangelweit offen. Ich wusste nach einem Drittel, wer der Täter ist und warum. Manchmal ist das nicht schlimm, nämlich dann, wenn es in dem Krimi oder Thriller um etwas ganz anderes geht, um eine Milieuschilderung, um ein Thema, der Mord als Sache zum Zweck ist. Aber wenn es letztendlich nur um die Aufklärung eines Mordes geht, man frühzeitig weiß, wer der Täter ist, obendrauf noch warum, dann ist das Buch langweilig. Leider. Yann und Gwenn sind für mich als Person nicht stimmig und ein paar andere Charaktere sind überzogen klischeehaft, alles so verdammt bekannt. Der Verlag hat sicherlich aus diesem Grund das Buch als »Roman« bezeichnet, nicht Thriller.

Der Autor hat mich von seinem erzählerischen Talent überzeugt, absolut. Aber das reicht für einen Krimi / Thriller nicht. Die Geschichte muss stimmig sein, denn auch das war arg konstruiert, die Figuren müssen glaubhaft sein, Spannung sollte bei einer Mordaufklärung nicht fehlen. Gehen wir von einem Roman aus, wie vom Verlag ausgewiesen, welche Geschichte wird erzählt? Die von Yann? Dann ist mir das zu wenig, denn wir erfahren nur wo er wohnt, was sein Beruf ist, ein klein wenig über seine Kindheit und minimal etwas über die Jugendliebe zwischen Yann und Gwenn, über sein Trauma. Geht es um das Dorfgeflecht? Dann hätte ich gern ein wenig mehr über die Bewohner und die Beziehung untereinander erfahren, es ist nicht ihre Geschichte. Worum geht es?, habe ich mich gefragt. Es geht um die Aufklärung, was damals mit der Mutter geschah. Und das ist einerseits zu ahnen, andererseits zu konstruiert. Und so landen wir wieder beim Krimi. Gwenn, die Polizistin, ist die treibende Kraft. Yann zieht zunächst nicht mit, doch dann, gefangen auf der Insel, will er es wissen. Und überhaupt mag ich keine Bücher, die schon zigmal im Grundkonzept geschrieben wurden.
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