Rezension zu "Die gelbe Tapete" von Charlotte Perkins Gilman
Eine junge Frau sucht Erholung nach der Geburt ihres Kindes. Zusammen mit ihrem Mann John mietet sich das junge Paar in ein Sommerhaus ein. Man fühlt sich wohl. Wenn da nicht das Zimmer mit der gelben Tapete wäre. Ausgerechnet jenes Zimmer das Ehemann John für ihr Schlafgemach ausgewählt hat. Die junge Frau beginnt sich in einen Wahn hineinzusteigern, der ungeahnte Ausmaße nimmt.
Gilmans Roman entstand zum Ende des 19. Jahrhunderts. Klassisch gehalten, erinnert er mich an die Poe'sche Dramatik und die Hoffmann'schen Nachtgeschichten. Geschickt baut Gilman den allmählichen Wahnsinn der jungen Frau auf. Ein Wahnsinn, der auf dem zweiten Blick, gar nicht mehr so bedrohlich wirkt. Versinnbildlicht er auch irgendwie die Rolle der gefangenen Ehefrau. Immer wieder berichtet die Protagonistin von der fehlenden Unterstützung des Ehemannes, der ihre psychische Verfassung weder Ernst nimmt noch ihm Bedeutung zumisst. Schreiben soll die junge Frau auch nicht. Nur ruhen. Ausgerechnet in jenem Zimmer mit der gelben Tapete, welches für die junge Frau zum Sinnbild der gefangenen Ehefrau wird.
Ein gut geschriebenes kleines Büchlein, dass in der zweisprachigen Ausgabe aus dem Dörlemann-Verlag chic daherkommt und das schnell gelesen ist. Eine Autorin, die mir bisher nicht bekannt war und die, wie man dem kurzen Nachwort entnehmen kann, sich auch für die Rechte der Frauen einsetzte. Und das merkt man diesem Werk im positivsten Sinne auch an. Gleichzeitig wählt sie ein Genre, dass zu dieser Zeit von den großen Namen Edgar Allan Poes und E.T.A. Hoffmanns durchdrungen ist und mit denen sie locker mithalten kann.
Kurzum: Ein tolles Büchlein, das sich schnell liest und das für Fans der "phantastischen" Literatur auf jeden Fall lohnenswert ist.