Cover des Buches Die Stimmen der Übriggebliebenen (ISBN: 9783981425727)
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Rezension zu Die Stimmen der Übriggebliebenen von Christian Discher

Manche Menschen haben keine Stimme; außer einer geliehenen. Und das ist oft die Wichtigste!

von Buecherspiegel vor 9 Jahren

Kurzmeinung: eine tagebuchartigen erzählung mit vielen direkten reden, wirkt merkwürdig, vor allem nach 18 Jahren ... aber wichtiges thema!

Rezension

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Buecherspiegelvor 9 Jahren

Christian Discher, der Autor des Buches „Die Stimmen der Übriggebliebenen“, wird in jungen Jahren in die Psychiatrie in Ueckermünde eingewiesen. Er hört seit Jahren eine Stimme, Mila, die ihm die beste Freundin, Ratgeberin, Zuhörerin ist. Aber nicht nur das, sondern seine schleichende falsche Körperwahrnehmung offenbart seiner Umgebung, hier stimmt etwas ganz gewaltig nicht. Er nimmt rapide ab, es liest sich, als wäre er magersüchtig. Ein Junge, der, mitten in der Pubertät zudem feststellt, er liebt Männer! Und dann, für Menschen im Osten wohl ungewöhnlich, möchte er sich Gott zuwenden und ruft es auch noch lautstark aus. Das dieser Mensch Unterstützung braucht, eine Therapie, vielleicht auch zeitweise entsprechende Medikamente, ist nicht von der Hand zu weisen. Aber er landet ausgerechnet in der Psychiatrie von Ueckermünde. Und obwohl gerade dieser Ort schon ins Gerede gekommen ist, hat sich dort lange Zeit wohl nichts geändert. Dabei ist die Mauer längst gefallen, leben wir im vereinten Deutschland, das im Westen zum Teil sehr gute Behandlungsmethoden und entsprechende Krankenhäuser vorzuweisen hat. Von Fixierung ist die Rede, keinerlei Arztwahl oder gar Patientenrechte, die ganze Palette übelster Menschenrechtsverletzungen auf deutschem Boden klagt er an. Und das ist gut und richtig so.
Was mir an diesem Buch allerdings nicht gefällt, ist die Beschreibung des Stils. Angeblich ist es tagebuchartig geschrieben. Was haben denn dann aber die ganze Zeit die vielen Dialoge darin zu suchen? Als stünde ich mitten in einer lebendigen Geschichte? Das kann ich ihm nicht abnehmen. Als könnte er sich wortwörtlich an alles erinnern. Und das bei der Zwangsmedikation der er ständig unterzogen wurde. Sicher wirkt es für die Lebendigkeit seiner Erfahrungen positiv, diesen Schreibstil zu wählen, wie ein Tagebuch wirkt es allerdings nicht. Auch hätte ich mir sehr viel mehr sachliche Details gewünscht, wie sie erst im Anhang erwähnt werden.
Es braucht, was gerade psychisch erkrankte Menschen in Deutschland betrifft, viele laute Stimmen, wie auch der Fall Gustl Mollath (siehe auch: Die Affäre Mollath. Der Mann, der zu viel wusste), der jahrelang in der Forensischen Psychiatrie einsaß, zeigt.
Den Stimmen der Übriggebliebenen, die, die nicht die Kraft und Stärke besitzen sich zu wehren, können nur hoffen, dass es Menschen wie den Autor und Andere gibt, die auf Missstände, wie sie hier im Buch dargestellt werden, aufmerksam machen, damit diese abgestellt werden.

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