Cover des Buches Gewalt (ISBN: 9783476024114)
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Rezension zu Gewalt von Christian Gudehus

Fortsetzung der interdisziplinären Reihe auf gewohnt hohem Niveau

von M.Lehmann-Pape vor 11 Jahren

Rezension

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M.Lehmann-Papevor 11 Jahren


Im Rahmen der interdisziplinären Reihe zu Grundthemen der Kulturwissenschaften hatte Christian Gudehus bereits das Thema „ Gedächtnis und Erinnerung“ verantwortet. Nun folgt mit „Gewalt“ ein fundierter, breiter und umfassender Blick, in gewohnter äußerer Form, auf eines der wesentlichen Themen der Kulturgeschichte. Ein Blick, der im Buch das breite Spektrum von der Anthropologie bis hin zur Sportwissenschaft durch die Disziplinen hindurch diskutiert, die „Praxis der Gewalt“ differenziert bearbeitet, zu Klärungen des Begriffe verhilft und diesen Begriff dann durch eine Vielzahl des Vorkommens in der Gesellschaft hindurch betrachtet.

„Gewalt ist, in ganz unterschiedlicher Ausprägung, eine Hansdungsoption und gehört, ob selbst ausgeübt, erfahren, beobachtet oder medial repräsentiert, zum Erfahrungsinventar vermutlich aller Menschen zu jeder Zeit“.

Wobei im Mittelteil des Buches auch Einlassungen zur möglichen Prävention (im Zusammenhang der Darstellung von Merkmalen und Folgen der Gewalt) nicht fehlen und somit konstruktive Gedankenanstöße für die Praxis ebenso ihren Platz im Buch finden.

Zunächst aber leiten die Herausgeber selbst in das Thema hinein mit einer Darstellung des Status quo zur Begrifflichkeit und aktuellen Forschungsprogrammen, um dann in breiter Form die definierbaren Rahmungen der Gewalt darzustellen. Erziehung, Klimawandel Krieg, Nationalismus, Polizei als verfasste staatliche Gewalt, Rassismus, die Gewalt in der Religion, in der Sexualität, Gewalt an Tieren sind hier Überblicksthemen des Vorkommens der Gewalt, wobei das abschließende Kapitel des „sozialen Nahraums“ die Grundlagen der einzelnen dann konkreten Rahmungen darstellt und durchaus zum Einstieg in Thema und Buch empfohlen werden kann (nach der allgemeinen Einleitung).

„Praktiken der Gewalt“ als zweiter Hauptteil stellt sich als sehr präzise und konkret dar. Ob Amoklauf, Attentat, Folter, Hinrichtung, verdeckte Formen der Gewalt wie Mobbing, ob Mord oder „nur“ eine „Ohrfeige“, ob Vergewaltigung oder das, gerade auch aus modernen Diktaturen immer noch bekannte „Verschwindenlassen“ (mit der Gewalt nicht nur für die konkret Betroffenen „Verschwundenen“, sondern deren gesamtem Umfeld damit ja „Gewalt“ angetan wird), das wesentliche Spektrum der Erscheinungsformen der Gewalt ist hier im Buch konzentriert und differenziert zu finden. Gewalt hat Auswirkungen und manifestiert sich in Handlungen ebenso, wie sie „Produkt von Handlungen“ ist.

„Merkmale, Prävention und Folgen“ bietet im Folgenden den entsprechenden „Überbau“ zu den Konkretionen des zweiten Hauptteils. Besonders zu erwähnen ist hier der Beitrag von Michaela Christ zur „Codierung“. Hier wird die „soziale und kulturelle Codierung“ der Gewalt vor Augen geführt und damit auch verdeutlicht, dass „hinter“ aller konkreter, gesellschaftlicher Definition und Handhabung von Gewalt (die sehr unterschiedlich ausfällt je nach „Herrschaftssystem“ und kultureller Prägung durchaus praxeologisch hinter des je konkreten Verständnisses von Gewalt allgemeine Verhaltensweisen „gelesen“ (decodiert) werden können. Wie sich dies in Bezug auf Körper, Grausamkeit, Akteure, Opfer, Gewaltgemeinschaften, die Folgen von Gewalt, aber auch für eine mögliche Prävention und ein „Helfen“ verhält ist Inhalt des dritten Hauptteils, der sich vornehmlich übergeordneten, strukturellen Merkmalen der gewalttätigen Handelns zuwendet.

Inhaltlich diesen großen Komplex abschließend stellen die Autoren „Repräsentationen den Gewalt“ vor allem im medialen Sinne (inklusive Literatur, Comic, Massenmedien, Film, Spiele, Internet) dar, eine Darstellung, die „Repräsentationsformeln kollektiver Gewalt“ dann sehr präzise herausarbeitet.

Wieweit die einzelnen Disziplinen ihren je eigenen Zugang zum Thema finden ist Thema des letzten Hauptteils. Ob Geschichtswissenschaft, Erziehungswissenschaft, Hirnforschung, Literaturwissenschaft u.a., nach der gründlichen Vorbereitung durch die differenzierte Darstellung von Begriff, Rahmungen und Merkmalen der Gewalt fließt in diesem Teil die interdisziplinäre Betrachtung zusammen.

Auf auch sprachlich hohem Niveau bewegen sich die einzelnen Artikel der Autoren. Wie aus der Reihe bereits bekannt (und hervorragend zur eigenen Weiterarbeit anleitend), findet sich zu jedem Kapitel des Buches unmittelbar Literaturangaben. So kann d as Buch auch in dem Sinne genutzt werden, sich u.U. nur ganz konkreten Themen zuzuwenden und an diesen zu arbeiten. Die gesamte Lektüre allerdings stellt sich als sehr lohnenswert dar und vermittelt einen sehr differenzierten, breiten und umfassenden Zugang zum Staus Quo des interdisziplinären wissenschaftlichen Diskurses zum Thema der „Gewalt“.

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