Rezension zu "The adidas Archive. The Footwear Collection (EXTRA LARGE)" von Christian Habermeier
Was heisst hier Buch? Schliesslich handelt es sich um ein TASCHEN Buch und kein Taschenbuch!
Das bedeutet:
Es ist ein grossformatiges Buch (325 mal 300 Millimeter (Breite mal Höhe)).
Es ist mit 5,5 Kilogramm Gewicht entsprechend 55 Tafeln Schokolade ein schweres Buch. Welches zum Glück in einem Schuber mit Tragegriff nach Hause gebracht werden kann.
Es ist ein TASCHEN Buch, bietet also aussergewöhnlich gute und schöne Farbfotos in exzellenter Druckqualität.
Es ist bestens verarbeitet, gebunden, der Bucheinband ist in dem Fall eine Mischung aus Reliefdruck und stoffbezogenen Ecken, damit die berühmten drei Streifen schon vor dem ersten Aufschlagen erkennbar sind.
Soweit zu den äusseren Merkmalen. Der Inhalt überzeugt dann noch mehr. Adidas hat den Autoren Christian Habermeier und Sebastian Jäger einen langen Besuch im Reliquienschrein gewährt. Wobei die Beiden vermutlich auch weisse Seidenhandschuhe tragen mussten, um die Heiligtümer in geeignete, fotogene Position zu bringen.
Angefangen bei dem ersten nach einem Trainer des Deutschen Olympiateams von 1928 genannten Sprint-Schuh "Waitzen" über den Neu-Anfang nach Ende des Zweiten Weltkrieges der Firma Adidas im Jahr 1946. Seinerzeit mussten Sportschuhe in Ermangelung von Leder aus gebrauchten stabilen Zeltplanen gefertigt werden. Bis hin zu den modischen Raritäten, die unter Sammlern durchaus mal einen Preis von 25.000,00 € und mehr erreichen können.
Sondereditionen wie den "Kegler Super 'Ostrich Leather'", die zum hundertsten Geburtstag von Adi Dassler anno 2000 in einer kleinen Stückzahl für 1.929,00 DM angeboten wurde. Verpackt in einer massiven und polierten Messingbox. Oder die Sonderedition des Model "Superstar" zum 35sten Geburtstag der Serie, präsentiert in einem weissen Lederkoffer mit Messingbeschlägen, einschliesslich Bürste, Schuhspannern, Anziehhilfe und Cremdose. angeblich, Zitat Seite 452, "die Mona Lisa unter den Sneakern."
Der betriebene Forschungsaufwand, um den für die jeweilige Sportart optimale Fussbekleidung zu entwickeln, sei es Fussball, Skispringen, Curling, Leichtathletik mit den verschiedenen Disziplinen, Boxen, Basketball oder was auch immer, wird in dem aufwendigen Band ebenso verdeutlicht.
Für die eher an spektakulären Sportereignissen Interessierten ist natürlich jede Menge zu finden: der nachträglich bronzierte Siegerschuh von Armin Harry, mit dem er bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom beim 100m-Lauf die Goldmedaille errang. Ebenso der 'Special'-Schuh, mit dem einer der Klassenfeind aus der DDR, nämlich Walter Krüger sich bei der selben Olympiade im Speerwurf die Silbermedaille um den Hals hängen liess.
Die Schuhe von Bob Beamon, Olympiade 1968 Mexiko , Goldmedaille im Weitsprung mit 8,90 Meter, sogar 2018 noch olympischer Rekord. Signiert sind Beamons 'Gold'-Adidas von Jim Hines, Larry James und Heide Rosendahl. Auf den Seiten 168/169 sind die nach dem Weltmeisterschaftsturnier 1974 vergoldeten Fussballtreter von Gerd Müller zu bewundern. Uwe Seelers enge Freundschaft mit Adi Dassler wird durch die Fotos der arg ramponierten Fussballschuhe dokumentiert, die er, Uwe Seeler, lange Jahre trug. So wie diese Schuhe aussehen, können es auch Jahrzehnte gewesen sein...
Dazu erfährt man noch einige nette Nebensächlichkeiten. Bei den Boxschuhen von Muhammad Ali beispielsweise die Tatsache, dass die 'Bommel' an den Schuhbändeln dazu kamen, weil so des 'Grössten' tänzelnde Schritte im Ring noch besser zur Geltung kamen.
Adidas mit einer Art Saugnäpfen in der Sohle für die Curler, mit einer Art Drehplatte im Ballenbereich der Sohle, um die notwendige Drehbewegung für Hammerwerfer und ähnliche Sportarten zu optimieren, da noch ein Detail und hier noch eine nette Anekdote.
Ein interessantes und zugleich sehr schönes Buch. Bei dem man sich beim ersten Anblick vielleicht fragt: was soll das denn für einen Sinn haben?
Nach dem Lesen und immer wieder neuem Durchblättern weiss man es defintiv.