Cover des Buches Imperium (ISBN: 9783596185351)
Rezension zu Imperium von Christian Kracht

Imperium

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 7 Jahren

Kurzmeinung: Ein bodenlos unsympathischer Protagonist und ganz viel Ekel-Gänsehaut. Nicht mein Roman...

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 7 Jahren

Meine Meinung

Die öffentliche Diskussion, die „Imperium“ bei seinem Erscheinen ausgelöst hat, ist nach vier Jahren fast vergessen, trotzdem habe ich mich darauf gefreut, mir zu einem so kontroversen Roman eine eigene Meinung zu bilden. Definitiv nicht erwartet hatte ich, mich beim Lesen so sehr zu ekeln und den Protagonisten so innbrünstig zu verabscheuen. In vielen Rezensionen habe ich gelesen, dieses Buch wäre schwer zusammenzufassen, ich finde es aber im Grunde ganz einfach. „Imperium“ ist die auf wahren Begebenheiten beruhende Geschichte eines arroganten und lebensuntauglichen Spinners, der Anfang des 20. Jahrhunderts das Deutsche Reich verlässt, um auf einer Südseeinsel als Kokovore zu leben. Soll heißen, sich nur noch von Kokosnüssen zu ernähren (Spoiler: Nein, das ist nicht der Schlüssel zu ewiger Jugend und Gesundheit. Schon vor über hundert Jahren war es manchmal besser, auf den Arzt zu hören).

Von Anfang an hat der Protagonist, Engelhardt, in mir vor allem Abneigung geweckt: Die Herablassung, mit der er seinen Mitmenschen begegnet, seine Arroganz und seine absolute Intoleranz gegenüber anderen Meinungen haben ihn für mich von Anfang an unsympathisch gemacht. Homophobie war dann noch die Kirsche auf der Charakter-Torte. Selbst als Engelhardt auf seiner Insel immer mehr von geistiger Umnachtung und anderem zerfressen wird, hat sich mein Mitleid um ehrlich zu sein in Grenzen gehalten. Alles, was dem Protagonisten geschieht, hat er durch dämliche und egoistische Entscheidungen selbst verursacht.

Solche negativen Gefühle haben für mich persönlich beim Lesen alles andere überstrahlt. Es gab aber auch definitiv Aspekte der Handlung, die mir sehr gut gefallen haben. Der Autor zeichnet ein kritisches, desillusionierendes Portrait der Südseekolonien des Deutschen Reiches. Wie er mit bösem Humor das machtpolitische Gefüge und den Alltag der Menschen in den Kolonien beschreibt, fand ich sehr unterhaltsam. Und dass Engelhardt brutal von Polizisten zusammengeschlagen wird, nachdem er nackt an einem Strand gesehen wurde, sagt schon eine Menge über die Zustände im Kaiserreich aus.

Was den Schreibstil des Autors angeht, bin ich wirklich zwiegespalten. Ich kann definitiv nachvollziehen, warum der Roman in den Feuilletons großer Zeitungen gefeiert wurde. Mit möglichst vielen Begriffen lateinischen Ursprungs um sich zu werfen und für die Intellektuellen noch ein bisschen Literatur- und Kunstgeschichte einzubauen – das ist schon mal ein guter Anfang, um das Herz der Literaturkritiker für sich zu gewinnen. Nicht dass mich eins von beidem gestört hatte, aber ich als Otto-Normal-Leserin war eher von Krachts bitterbösem Humor begeistert. Sehr gelungen fand ich auch die Passagen, in denen uns ein allwissender Erzähler an die Hand nimmt und durch die Geschichte führt.

Der Autor findet einprägsame sprachliche Bilder, leider allerdings oft genau im falschen Moment. Ich hatte schon erwähnt, dass ich mich beim Lesen häufig geekelt habe. Das lag vor allem an schrecklich plastischen Beschreibungen wie „ein Rinnsal warmen Schweißes perlte ihm hinterm Ohr ins Gewand“, „der Mond bescheint die beiden hüpfenden Kugeln von Lützows blond behaartem, emporgereckten Hinterteil“ und „wenige Minuten bevor die Mücke, aus deren erigiertem Stechrüssel die Erreger hinab in seiner Blutbahn flossen…“. Eloquenz und bildhafter Schreibstil sind ja schön und gut, aber manchmal will man es einfach nicht so genau wissen.

Fazit

„Imperium“ ist unterhaltsam zu lesen und hat viel Intelligentes zu bieten. Leider haben es mir Ekel-Gänsehaut und völlige Abneigung gegenüber dem Protagonisten fast unmöglich gemacht, auch nur eins von beidem zu würdigen.

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