Cover des Buches Das Christentum (ISBN: 9783871345708)
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Rezension zu Das Christentum von Christian Nürnberger

Rezension zu "Das Christentum" von Christian Nürnberger

von Ferrante vor 13 Jahren

Rezension

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Ferrantevor 13 Jahren
Die Widmung des Buches, es sei "allen Randständigen und kirchlich Fernstehenden gewidmet, die mit Kirche und Christentum nichts mehr anfangen können, aber gerne wieder etwas anfangen würden", sprach mich an. Und erst der Untertitel: "Was man wirklich wissen muss". Ausreichend informiert fühle ich mich aber nach diesem Buch nicht. Jörg Zinks "Ruf in die Freiheit" vermittelte Jesu Botschaft viel fundierter, wie ich finde, und Nürnbergers Buch sollte eher den Titel "Die Geschichte des Christentums" tragen. Darum geht es nämlich wirklich: Wie und unter welchen Umständen entstand das Alte Testament und was erzählt es? Wie und warum wirkte Jesu Lehre bei den ersten Christen nach? Das Alte Testament wird recht sozialreformatorisch, um nicht zu sagen, kommunistisch gedeutet: Gott ging es um die Erschaffung einer alternativen Gesellschaft, in der es keine Armen gäbe und in der alle gleich wären. Eine sehr interessante und mitreißende Interpretation, nichtsdestotrotz werden die vielen negativen Seiten des Alten Testaments von Nürnberger einfach ausgeblendet. Steinigung bei Ehebruch oder Homosexualität, das ignoriert er einfach und stellt die Gesetze des ersten Gottesvolkes als sehr fortschrittlich dar - was in Nürnbergers gewähltem Rahmen der sozialen Gerechtigkeit ja auch stimmen mag. Vielleicht gehören all die Passagen aus dem Alten Testament, auf denen besonders Fundamentalisten so gerne herumreiten, für Nürnberger nicht zu dem "was man wirklich wissen muss". Mir solls recht sein, und die ganzen Hintergrunderklärungen sind schon informativ. Was Jesus anbelangt, werden die Ausführungen aber viel kürzer und beschränken sich eher auf die Nachwirkungen seines Todes (die Auferstehung ist für Nürnberger nur Symbol) und geschichlichte Wirkungszusammenhänge. Danach schwafelt Nürnberger zwar groß und breit, wie wichtig das Christentum sei und wie schlecht die Kirchen heute seien - was aber wirklich Jesu Botschaft war und wie man als Christ heute leben kann, wird nicht so recht klar. Alles ist sehr abstrakt und eigentlich eher oberflächlich gespickt mit Schlagwörtern wie "Gerechtigkeit", die Tiefgründigkeit vortäuschen sollen, deren inflationäre Verwendung diese aber nicht herbeiführt. Auch die Kritik an den Kirchen fand sogar ich, der ich selbst den Kirchen kritisch gegenüberstehe, unangebracht: sie würden heutzutage nur "Eiapopeia/Wir haben alle lieb"-Christentum propagieren. Also, was der Papst immer wieder so von sich gibt zu Themen wie Abtreibung, Homosexualität oder Kondome oder was auch immer, klingt für mich nicht nach "Eiapopeia". Man hat den Eindruck, Nürnberger lebt ein bisschen der Realität vorbei oder ist so ein Fundamentalist, dass sogar der Papst für ihn zu weich ist. Die Evangelischen Kirche haben dann - oh großer Schreck - doch tatsächlich gewagt, eine Werbestrategie mit Hilfe des McKinsey-Instituts zu entwickeln. Oh mein Gott, hier macht sich jemanden Gedanken darüber, wie man die Frohe Botschaft auch heute noch verkaufen soll. Nein, nein, solche Zeitgemäßheit darf nach Nürnberger nicht sein. Wahrscheinlich: wer es nicht selbst schnallt oder den "inneren Ruf" verspürt, ist sowieso kein Christ. Also insgesamt: Das Buch spuckt zunächst große Töne, es sei das "wahrhafte" Buch, kann aber insgesamt nicht auf der ganzen Linie überzeugen. Vielleicht hätte bei dem großspurigen Untertitel schon bei mir die Alarmglocken läuten sollen. Interessant, um mehr über die Geschichte des Christentums zu erfahren, ist es aber allemal.
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