Rezension zu "Privat war gestern" von Christian Schertz
Die medialen Gefahren für den Wert des Privaten
Das die beiden Autoren in ihrer Profession als Rechtsanwälte ihren Schwerpunkt im Medienrecht gesetzt habe und hier zu Bekanntheit durchaus gelangt sind, spürt man dem Buch umgehend ab. Eine Vielzahl von Verweisen auf Prozesse, Medienverfolgung, einfach von Geschichten um gerade auch prominente Mitbürger herum zeigt auf, wie weit die Autoren mitten drin im medialen Geschehen sind.
Beileibe aber bildet das Buch kein „buntes Blättchen“ voller Anekdoten, in denen sich die Autoren ihrer Nähe zur Prominenz gerieren. Alle Beispiele, Vorgänge, Verweise dienen letztlich dem Ziel der Erläuterung und der Klärung dessen, was die Autoren als Gefahr für das private, aber auch das verbindend öffentliche Leben ausmachen.
Indem Medien in breiter Form die Privatsphäre des Einzelnen weder wertschätzen noch akzeptieren, sondern in vielfacher Form, unterstützt übrigens durchaus von den „Opfern“ zu Zeiten, das „Private öffentlich machen“, beginnen althergebrachte Werte des Respekts vor allem ebenfalls zu wanken. Mit Folgen für das soziale Gefüge und das „Klima“ im Lande.
Natürlich legen die Autoren ob ihrer Profession den Finger auf die Wunde gerade der Medien, allen voran (einmal wieder) den „journalistischen Umgang“ der Bildzeitung mit Betroffenen, zeigen aber im Gegenzug ebenso auf, wie sehr sich die unausgesprochenen Regeln des Umgangs der Medien gerade mit Politikern ins Nichts aufzulösen beginnen, weil eben gerade Politiker mit „Privatem“ an die Öffentlichkeit drängen. Das im Zuge dieser fast „Aufdrängung“ durch Politiker von sich aus letztlich dann auch Bastionen fallen wie im Fall Seehofer und seines unehelichen Kindes ist dann fast folgerichtig. Spannend ist es auch, die durch die Autoren vorgelegte Zeitabfolge dieses „Skandals“ zu betrachten. Ein Skandal, der mit der Bewerbung Seehofers um den Parteivorsitz der CSU begann und nach den Vorstandswahlen dann plötzlich auch beendet war. Da kommt man bei der Lektüre schon ins Grübeln, wer da eigentlich wen benutzt.
Grundlegend aber geht es den Autoren in all den Geschichten und Fällen um die „Ausstellung des Privaten als Zwang der Mediengesellschaft“. Eine Beobachtung, die beileibe nicht nur in prominenten Kreisen vorliegt, sondern die gerade durch die social media des web 2.0. fast jeden mit in den Bann zieht und in der Folge das Private teils unsäglich öffentlich macht.
Das Private wird öffentlich, die Medien stöbern im Privaten ohne Grenzen zu wahren, Castingshows erfreuen sich bei Kandidaten reißender Beliebtheit, die damit ohne Not ihr Privates fast „zum Fraß“ vorwerfen (und damit noch stolz hausieren gehen) und das Internet wird mehr und mehr auch zu einer „Ausstellungsvitrine des Privaten“ mit Formen von Mobbing, Verfolgung, Aggression und Hass, die wohl nur im Schutz der Anonymität des Net in der Form ausgelebt werden. Eine Aggressivität und eine Missachtung der Würde des andern, die durchaus auch Folgen für das reale Leben hat.
Das jeder mittlerweile viel zu unbedenklich mit seinen privaten Daten „hausieren“ geht, das aber das Private und der Schutz der Privatsphäre notwendige Grundlagen für das eigene, aber auch das öffentliche Leben eigentlich sind, das bringen die Autoren nachdenkenswert zu Papier und leiten so, gut lesbar, zur eigenen Reflektion des eigenen Mitteilungsbedürfnisses und des eigenen Umgangs mit privaten Informationen an. Ein wenig zu Prominentenorientiert, durchaus aber mit Gehalt versehen.