Wer ist Christian Traut? Im Internet finde ich nichts zu ihm. Der Vorname deutet auf Ü50, aber warum hat man von ihm noch nicht früher etwas gelesen? Logisch wäre also, dass es ein junger Autor ist. Ich halte aber noch etwas anderes für möglich: Dass Christian Traut ein Pseudonym ist. "Traut" ... versteckt sich dahinter etwa der schreibende Kriminalbeamte Hans J. Muth ( https://www.lovelybooks.de/autor/Hans-J.-Muth/ ).
Egal. Jedenfalls wagt sich der Autor an das schwierige Thema Kriminalität in Hamburg heran. Landläufig assoziiert man dazu den engen Bezirk um die Große Freiheit, das berühmte St. Pauli. Doch die Wahrheit ist eben traditionell düster (remember Warburg-Korruption!). Hamburg ist eine reiche Stadt und die Alster mit Rathausbezirk (Politik), Pöseldorf (wie das Viertel schon heißt, da pieseln Schnösel in goldene Toiletten), Schöne Aussicht (Geld in nennenswerter Höhe) und Transatlantic (für Wanderarbeiter, professionelle Killer aus guter Familie und Mafia-Management) bildet sozusagen den wahren Hotspot der Hamburger Gesetzesferne ab. Die Fassaden sind friedlich, die Enten quaken idyllisch, die Jogger haben hier noch echt viel Zeit zum Joggen - doch wir echten Hamburger wissen, dass die ganze Szenerie DAS Fressgebiet von gut vernetzten Haien aller Art ist.
Das ist also schon mal schlau gewählt und als Hamburger spitzt man natürlich die Ohren, wenn ausgerechnet dort ein Mord passiert, denn es ist in den feinen Kriminalitätsbranchen eine Selbstverständlichkeit, Drecksarbeit in das gutherzige St. Pauli bzw. Richtung Hafen oder Harburg zu verlegen. Es ist ja manchmal gar nicht mit anzusehen, wie das gemacht wird. Auch aus Immobilienbewertungsgründen sollte man Morde unbedingt in Slums verlegen.
Angesichts dessen war ich also mega gespannt, wie und warum denn nun ausgerechnet an der mordsicheren Alster ein ein geplanter Tötungsdelikt zur Ausführung kommen sollte und ohne etwas zu verraten: Die Tat, das Opfer, die Gründe, Hintergründe, Protagonisten und die Alster passen dann doch logisch perfekt zusammen wie Schläfe und aufgesetzter Revolver. Dabei ist dem jungen Autor mit Krink eine Figur gelungen, die nicht nur guten Hamburger Sarkasmus und Humor hat (wusstet ihr, dass die Hamburger durchschnittlich 44 % mehr pro Tag lachen als die Menschen in Baden-Württemberg? Fakt!), sondern richtig richtig richtig Spaß macht. Man muss natürlich beim Lesen ein "büschen" Hamburgisch im Ohr haben (hoffentlich gibt es bald das entsprechende Audiobook!).
So, genug gerudert. Wo war ich noch stehen geblieben? Erst auf der letzten Seite. So habe ich "Krink" verschlungen.
Und Kritik ist leider dennoch nötig. Die betrifft den Vertrieb des Werks. In Hessen und Rheinland-Pfalz habe ich auf der Durchreise (ich fahre gerade mit meinem Deutschlandticket sämtliche (!) deutschen Bahnhöfe ab) das Buch in keiner einzigen Bahnhofsbuchhandlung finden können. So weit ist die deutsche Buchhandlungsmisere schon gediehen. Habe es erst über die Buchhandlung meines Vertrauens bestellen müssen. Warum übt der Autor nicht mehr Druck auf die Buchhandlungen aus?! Traut sich Traut nicht? (hehehe)
Vorschlag: Im nächsten Werk tötet eine 29-jährige Autorin, deren erstes Buch komplottmäßig unterdrückt wird, serienweise Buchhändler*innen in ganz Deutschland ab. Krink erhält dann schließlich den entscheidenden Hinweis von ... Christian Traut selbst! Der dadurch in seinem Buch auftreten könnte und die ausgesetzte Prämie der Kriminalpolizei in Höhe von 10.000 EUR erhält. Anders lohnt das Krimischreiben ja auch kaum, sagen alle.
"Krimi musst du machen, nicht schreiben", scherzt man in den Villen an der Schönen Aussicht und zwinkert sich dabei vielsagend zu (habe ich selbst schon erlebt).