Rezension zu "Acht Berge" von Paolo Cognetti
Cognetti erzählt vor toller Kulisse die Geschichte einer 3 Jahrzehnte währenden Männerfreundschaft zwischen Pietro und Bruno. Pietro, aus dessen Sicht erzählt wird, lernt als Kind durch seine Eltern die Leidenschaft für das Hochgebirge kennen. Im Aostatal, wo die Familie möglichst viel Zeit fernab des Berufsalltags in Mailand verbringt, trifft er auf Bruno, das einzige Kind im Dorf. Zwischen dem zwangsweise ohne Freunde aufwachsenden Bruno und Pietro, der auch keine Freunde hat, entwickelt sich eine Freundschaft. Als Kinder streifen sie durchs Gebirge und während der eine immer in der Heimat bleiben soll, um trotz Maurerlehre doch den traditionellen Pfaden folgend Bergbauer zu werden, treibt es den anderen, Pietro, als Dokumentarfilme in die Welt - natürlich irgendwie unvermeidbar - in den Himalaya, zu den noch höheren und gewaltigeren Gipfeln.
Die Freundschaft ist von gegenseitiger Unterstützung, stummem Verständnis, auch langer Kontaktlosigkeit geprägt. Das passt du dem eigenbrötlerischen Bruno, der seinem Traum vom Bergbauern auch die Familie opfert, und zum bindungsunfähigen Pietro.
Mich hat einmal der Klappentext irritiert, durch den mir viel mehr Tiefe in der Auseinandersetzung mit alten Freundschaften und unterschiedlichen Lebenswegen versprochen wurde. Aber die unterschiedlichen Lebensentwürfe der beiden Freunde sind zwischen ihnen irgendwie kaum Thema, wenigstens nicht wirklich diskussionswürdige. Beide akzeptieren das Leben des anderen. Letztlich gehen beide ihren Weg (die Frage nach dem Erfolg lasse ich außen vor) und werden die erwachsenen Versionen der Männer, die schon in Kindheitstagen in ihnen angelegt waren.
Auch mit dem Titel hadere ich ein wenig. Der Großteil der Erzählung spielt im alpinen Raum. Warum wird der Fokus auf den Himalaya gelenkt?
Mit Blick auf die 8 Gipfel werden auch die Probleme des Lebens im Schatten dieser Berge angesprochen, aber es bleibt fast anekdotenhaft.
Mir hätte als Setting tatsächlich der alpine oder hochalpine Bereich ausgereicht, zumal ja auch hier ein durchaus spannender Konflikt angelegt ist: Der "romantische" Traum vom harten, aber naturverbundenen Bergbauernleben, das auch viel inneren Frieden verspricht, von Einklang mit der Natur, Freiheit und Autarkie ist wirtschaftlich betrachtet fast nicht mehr möglich - wenigstens so wie Bruno es zu leben versucht. Das Sehnen nach einer entbehrungsreichen Vergangenheit, die für die früher dort lebenden Menschen Realität gewesen war - ohne alternative Lebensentwürfe. Auch hier hätte das Buch noch mehr Tiefe vertragen. Es bleibt bei Beobachtungen, etwa der ausgemergelten und schweigsamen Mutter Brunos ...
Insgesamt muss ich aber sagen, liest sich das Buch leicht, dennoch habe ich - angesichts der nur knapp über 250 Seiten - sehr lange daran gelesen, da ich mit den Figuren auch nicht so richtig warm wurde und mich das eine oder andere Mal beim Zeilenspringen erwischt.
Vielleicht fehlt mir auch ein wenig der Bezug zu dieser Lebenswelt? Die Naturbeschreibungen waren sehr schön, entfalteten durchaus ihre entschleunigende Wirkung, aber es ist sicher nicht meine Art von Roman, von denen ich noch mehr lesen muss.