Entwicklungen geschehen in Beziehungen
Mary wird erwachsen werden in diesem Buch. Vom Kind zur Frau, vom Mädchen zur Mutter.
Ein Geschehen, dass sich nicht gerade unter den günstigsten Voraussetzungen vollzieht. Weder, was den Ort angeht (zudem ziemlich nah gegenüber einer psychiatrischen Anstalt), noch, was die familiären Verhältnisse, vor allem das zur Mutter, angeht. Noch, was die prägenden Menschen dieses Weges angehen wird, die allesamt scheiternde Wesen sind (ohne das immer selbst so genau zu wissen).
So sind es ganz eigene, teils skurrile, immer aber besondere Menschen, die ihr näheres Umfeld ausmachen, die ihren Weg in das erwachsene Leben hinein begleiten. Manches Mal ohne das Mary dieser Einfluss wirklich klar wird.
Menschen, die Hodgen in ihrem bewegenden und sprachlich wunderbar (auch teils gerade wegen einer gewissen, kühlen Distanz zu den Figuren) gestalteten Buch intensiv betrachtet, in die Tiefe geht, die Stärken und Schwächen der Figuren differenziert auslotet.
"Es gibt keine Vergangenheit, sagtest du, und keine Zukunft. Alles passiert gleichzeitig..... Die Vergangenheit komme uns weit entfernt vor, doch das stimme eigentlich gar nicht".
Um das zu begreifen, wird Mary (das Buch über) ihre Zeit brauchen.
Dabei stimmt ihre Erkenntnis, dass Menschen darüber verbunden sind und werden, welche "unbedeutenden Handlungen" sie täglich füreinander ausführen. Dieser kleine Alltag.
Doch dazu gehören eben auch jene Dinge und Erlebnisse, die ihr, währende sie geschahen, distanziert und wenig berührend vorkamen.
Vielleicht aber braucht es einfach manchmal auch eine lange Zeit, braucht es den Tod und den Verlust, um das zu erfassen.
"Als du nicht mehr da warst, fehltest du mir".
Ein lapidar klingender Satz, der aber auf dem Hintergrund der Beziehungsgeschichte(n) im Buch seine ganz besondere Bedeutung erlangen wird.
In fünf ausführlichen Einzelbildern erzählt Hodge die Gesamtgeschichte Marys, von der erwähnten Mutter über den Onkel (einer der geschult war in den Fertigkeiten eines Onkels: Kitzeln, im kunstvollen Rülpsen, im scheußlichen Umstülpen der Augenlider), den merkwürdigen Mitschüler, die ebenso merkwürdige Freundin in der Collegezeit und James Butler, den Mann mit den hochfliegenden Plänen, einem durchaus gewissen Talent und trotzdem auch einer, der scheitert. Dem Mary aber vorher sehr nahe kommen wird auf ihrer Suche nach echten Ankerpunkten im Leben, nach einem inneren "zu Hause"
"Elegien" nennt Hodges selbst ihre Geschichten zu den einzelnen Personen, die ihre gewichtige Rolle in Marys Leben spielen, die, jede für sich, Mary auf dem Weg zur eigenen Identität begleiten, die am Ende so etwas wie ihre echte und wahre Familie darstellen.
Personen, die immer auch genau Kinder ihrer Zeit, ihres Jahrzehnts sind und damit den Leser in die teils seltsamen Ausprägungen dieser Zeiten zurückführen. Charaktere, die jeweils, wie es scheint, unter ihren Möglichkeiten bleiben und dennoch diese Möglichkeiten immer wieder aufblitzen lassen. Im Kleinen eben nur.
Und am Ende bleibt, dass das ganze Leben, alles, was wichtig ist, sich immer um Beziehungen dreht, gerade um die Besonderheiten der Erinnerungen. Beziehungen, die, während sie sich ereignen, in ihrer Bedeutung zu wenig gesehen werden.
In sehr assoziativem Stil, die Zeitebenen und die Ereignisse oft miteinander verwebend, erzählt Hodgen ihre Klagelieder über verdrehtes Denken, nicht erreichte Ziele, intensive Nähe und kühle Distanz anhand von ganz eigenen, scheiternden Personen, die in Marys Leben die entscheidenden Eindrücke gesetzt haben.
Mit melancholischem Unterton bei aller auch vorhandener Situationskomik, mit einer gewissen Verzweiflung dem Leben gegenüber, aber auch mit (späten) Erkenntnissen, die innerliche Ruhe bereit halten, wenn all die Aufregungen sich gelegt haben werden.
Eine interessante, lesenswerte Sicht auf das Leben. in dem jene konkreten Menschen später zwar physisch fehlen, immer aber anwesend sein werden.
Entwicklungen geschehen in Beziehungen