"Achtsam scheitern- Wie ich die Welt retten und dabei gut duften wollte". Der Titel provokant fragwürdig, die Farben pastellig, wie ein Pudertraum in rosa, eine Mädchenwolke voller Kitsch gepaart mit einer sinnbehafteten Nachricht. Wie passt das zusammen? Achtsamkeit und trotzdem der Blick auf Konsum? Und was hat gut duften mit der Rettung der Welt zu tun? Meine Neugier war geweckt, meine Erwartungshaltung tendierte gegen null. Ein weiteres Werk zum Trendthema Achtsamkeit aus den Augen einer Influencerin- das dachte ich.
Was Christin Henkel aber knackig auf 176 Seiten förmlich parodiert ist die verschrobene Herangehensweise an die neue, alternative Lebensart, die um sich greift und zum absoluten Must-Have Trendthema mutiert ist. Vegan ist hip, der eigene Bio Bauernhof das erklärte Ziel und Nachhaltigkeit mehr als nur ein Etikettenlabel. Christin Henkel erzählt aus der Ich-Perspektive, wie ihre eigentlich Großstadt affinen Freunde zu Anhängern des grünen Lebensstils mutieren und ihr bleibt nichts anderes übrig, als in den sauren Bio Superfood Apfel zu beißen, sich Roggenmehl statt Shampoo in die Haare zu schmieren und die leeren Einmachgläser nicht unproblematisch zum Unverpackt Laden zu befördern. Witzig, spritzig nimmt sie alles auf die Schippe, was dem Selbstversuch nicht standhält und offeriert eine herrlich ehrliche, einfach ungekünstelte Sicht auf eben diese neue Lebensart, die einfach auch nicht jedem steht, vor allem mit Zwang übergestülpt, wie eine selbstgestrickte Socke aus veganer, nachhaltiger Ersatzwolle. Der Stil ist fließend, leicht und voller Humor, die Kapitel kurz und die Themen vielfältig. So konzentriert sie sich nicht nur auf den grünen Lebensstil, sondern begleitet ihre Freunde durch verschiedene Lebensphasen und durchlebt selbst die Tücken des Alltags. Eine Empfehlung für alle, die in ihrem Freundeskreis eine ähnlich „grüne“, spontan animierte Bewegung wahrnehmen, die eher durch fehlende Duscheinheiten glänzt, die bereits selbst am Thema Achtsamkeit vorbeigeschrammt sind, sowie überspitzte Darstellungen als Stilmittel zu schätzen wissen.