Cover des Buches Vox (ISBN: 9783103974072)
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Rezension zu Vox von Christina Dalcher

#100Wörter

von annelotta vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Nur 100 Wörter. Allerdings nur für Frauen. Eine realistische Zukunftsvision? In der Form wie hier umgesetzt eher nicht...

Rezension

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annelottavor 6 Jahren

Die Geschichte rund um die Wissenschaftlerin Jean McClellan ist im heutigen Amerika angesiedelt. Nach der letzten Wahl übernimmt eine Regierung ihre Arbeit, die offensichtlich zu weiten Teilen von einem christlichen – fanatisch christlichen – Priester beeinflusst ist. Die Männer übernehmen die Vormachtstellung, die Frauen sollen nur noch Hausfrauen und Mütter sein, denen vorsichtshalber das reden weitgehend verboten wird, ein Mindestmaß von 100 Wörtern wird den weiblichen Mitgliedern der Gesellschaft zuerkannt. Jedes Wort darüber hinaus führt zu körperlicher Züchtigung in Form von Stromstößen über den am Handgelenk befindlichen Wortzähler.

Ein dystopisches Szenario, allerdings ohne ersichtliche vorausgehende Katastrophe sondern offensichtlich schleichend entstanden und scheinbar auch ohne größeren Widerstand installiert. Ein wenig soll der Eindruck erweckt werden, dass man damit quasi die Frau zurück zu ihren ursprünglichen Aufgaben führen will, was natürlich nie so gewesen ist. Unsere Gesellschaft brachte zum Glück schon immer starke Frauenpersönlichkeiten hervor, ob nun offensichtlich oder eher im Hintergrund. Und eine Gesellschaft ohne die Mitarbeit der Frauen konnte noch nie überleben.

Nun entwickelt sich die Geschichte rund um die Protagonistin und ihre Familie (Mann, 3 Söhne, 1 Tochter) anfänglich erst einmal gar nicht weiter, sondern der geschilderte Alltag wird durch Rückblenden immer wieder durchbrochen bzw. auch erklärt. Der älteste Sohn hat sich bereits vollkommen dem System ergeben, als junger Mann auch eine komfortable Position. Die beiden jüngeren Söhne (Zwillinge) verhalten sich neutral, die sechsjährige Tochter wächst selbstverständlich in einer Welt auf, in der sie de facto nicht spricht. Der Familienvater ist Arzt und arbeitet als Berater für die Regierung. Vor der Einschränkung der Frauen, war Mrs. McClellan noch Dr. McClellan und eine erfolgreiche Linguistikerin, die an einer Heilungsmethode für eine bestimmte Form der Aphasie arbeitete.

Nachdem die aktuelle Situation der Familie und der amerikanischen Gesellschaft hinreichend dargestellt ist, entwickelt sich die Geschichte rasant. Auf einmal wird Dr. McClellan gebraucht, als Wissenschaftlerin um den Bruder des Präsidenten zu retten. Auf einmal darf sie wieder sprechen und im Labor arbeiten. Und auf einmal zeigt sich doch eine Form des Widerstands gegen das Regime.

Insgesamt ist die Idee des Buches sehr interessant. Was mir sehr schwer fiel, war die Entwicklung hin zu dieser drastischen Einschränkung zu verstehen. Es handelt sich hier nach wie vor um eine (schein-) demokratische Gesellschaft. Da sträubte sich in mir alles, da ich eine solche Entwicklung schwer nachvollziehbar finde. Zudem kam die Entwicklung im letzten Drittel des Buches sehr plötzlich und verlor bei der Geschwindigkeit oftmals den logischen Zusammenhang. Alles ergab sich viel zu schnell zum positiven. Auf einmal waren genau die richtigen Leute eigentlich im Widerstand und für alles ergab sich ein schnelles und in allen Bereichen passendes Ende. Schade. Für mich alles zu happy…

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