Cover des Buches Eine Idee vom Glück (ISBN: B074QL9W5L)
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Rezension zu Eine Idee vom Glück von Christina Geiselhart

„Das Glück ist eine neue Idee in Europa.“

von wordworld vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Eine vielseitige Darstellung der Französischen Revolution, die sich vor allem kontrovers mit Louis-Antoine de Saint-Just beschäftigt.

Rezension

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wordworldvor 6 Jahren

Allgemeines:

Titel: Eine Idee vom Glück
Autor: Christina Geiselhart
Verlag: Independently published (24. August 2017)
Genre: historischer Roman
ISBN-10: 1522077057
ISBN-13: 978-1522077053
Preis: 29,99€ (gebundene Ausgabe)
19,99€ (Taschenbuch)
4,99€ (Kindle-Edtion)
Seitenzahl: 766 Seiten



Inhalt:

„Das Glück ist eine neue Idee in Europa.“

Es fing so vielversprechend an, damals im Juli 1789: Camille Demoulins ruft im Park des Palais Royale zum Sturm auf die Bastille. Befreiung vom Joch des Absolutismus, Abschaffung der Todesstrafe, Pressefreiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. „Das Glück ist eine neue Idee in Europa!“, ruft Saint-Just und begeistert damit Volk und Intellektuelle. Doch innerhalb von zwei Jahren versinkt die Idee in einem blutigen Sumpf aus Hass und Fanatismus. „Setzen wir den Terror auf die Tagesordnung!“, verkündet Konventionsmitglied Barère und die Köpfe rollen.

Inmitten dieses blutigen Wahnsinns kämpfen zwei Frauen um die Rettung der Idee und der Liebe. Todesmutig macht sich Charlotte Corday auf einen gefährlichen Weg und ersticht den blutrünstigen Hetzer Jean-Paul Marat in seiner Badewanne. Getrieben von ihrer großen Liebe zu Saint-Just setzt Louise Gellé ihren Ruf, ihre gesellschaftliche Sicherheit aufs Spiel und verlässt ihren Ehemann, um dem Geliebten nach Paris zu folgen. Sie träumt von einer gemeinsamen Zukunft, doch die zeichnet sich bald als so schockierend ab, dass sie unmenschliche Kraft braucht, um zu überleben.


Bewertung:

"Liberté, Égalite, Fraternité" - Man lernt es in der Schule, die Grundzüge des folgenreichsten Ereignisses der neuzeitlichen europäischen Geschichte. Die Französische Revolution war eine harte Zeit mit vielen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen, wie auch neuen, revolutionären Ideen, welche im Roman "Eine Idee vom Glück" verständlich und authentisch präsentiert werden. Ich habe schon "Die Bluthunde von Paris" derselben Autorin mit verstörter Begeisterung gelesen, welches sich mit Philippine und Maxence beschäftigt, die sich ebenfalls wie hier Louise Gellé und Louis-Antoine Saint-Just im Strudel der kochenden Revolution befinden.
Wer sich auf eine sonnige Geschichte zu Weihnachten freut, braucht hier nicht weiterzulesen. Das Buch ist eher das Porträt der Gewalt zu dieser Zeit vielen politischen Kalküls gemischt mit einer romantischen Liebesgeschichte.


"Es tat weh. Das Herz, die Hand, ihre Arme, ihr ganzer Köper schmerzte. Liebe ist ein Messer. Liebe ist ein Fluss, ein schrecklicher Hunger, der nie gestillt wird."


Beginnen wir mal mit der Covergestaltung: genau wie das Cover des letzten Buches, das man übrigens zum Verständnis diesen Teils nicht gelesen haben braucht, ist das dreckige grau-rot des Hintergrunds passend zur blutig düsteren Atmosphäre der Handlung gehalten. Dazu passen auch das berühmte Bild der Hinrichtung Ludwigs XVI. durch die Guillotine, welche man wieder am unteren Bildrand erahnen kann und die Original - Zeichnungen der drei Personen in der Mitte. Die Frau links sollte wohl Louise sein, der Mann in der Mitte Saint-Just und die Frau im Eck hinter den Gittern die tragische Marie Charlotte Corday, die hier als Nebenhandlung erscheint. Die Schreibweise des Titels ist ebenso passend - geschwungene Schnörkel, die sich immer wieder im Buch wiederfinden. Ich finde den Titel wirklich passend, da die neue Idee vom Glück alle antreibt - Revolutionäre, Jakobiner, Patrioten, Bauern, Gelehrte, Adlige die blutgierigen und gewalttätigen Henker und Folterer alle sind sie - gebeutelt von dieser schwierigen Zeit und müssen für diese Idee bezahlen.


Erster Satz: "Ich heiße Marie-Eglantine Julie Thérèse Leroux und bin in einer kalten Winternacht im Jahren 1768 geboren."

Nach einem Prolog über die Erzählerin der Geschichte, die junge Dienerin Thérèse und ihren Geliebten Jacques, beginnt die Geschichte in den Anfängen der
Französischen Revolution 1785 mit der Liebesgeschichte der jungen Notarstochter Louise zu dem Dichter und Denker Antoine. Anders als das vorhergegangene Buch, das Großteils heftig und derb erzählt wird und vor keiner Grausamkeit und Brutalität zurückschreckt, beginnt dieser Roman geradezu sanft und zart. Das hat mir eindeutig besser gelegen, auch wenn nun die düstere Anziehungskraft ein wenig gefehlt hat, die der andere Roman ausgestrahlt hat. Während dort der Fokus mehr auf den unteren Bevölkerungsschichten lag, ging es hier eher um die Oberschicht der Gesellschaft. Es wird geschildert, wie Halbadlige oder Angehörige des gehobenen Bürgertums die Revolution erleben und austragen, wie sie nicht selbst die Guillotine bedienen, sondern anweisen, es zu tun.
Anfangs beschränkt sich die Handlung noch auf den kleinen Ort Blérancourt, später dann auf Paris. Was genau passiert, will ich an dieser Stelle nicht verraten, nur so viel: die Revolution frisst bald ihre eigenen Kinder...


"Mein Geliebter,
schenk mir einen Platz in deinem Herzen,
schenk mir einen Platz in deiner Zukunft, damit ich dich beschützen kann, wenn du Angst hast, damit ich dich pflegen kann, wenn du Kummer und Schmerzen hast.
Schenk mir deine Tränen, die ich bewahren werde wie ein Schatz.
Schenk mir einen Platz. Jetzt sofort. Denn diese Zeit ist grausam und wird uns töten."



Hauptfigur ist eindeutig der junge, gebildete und hübsche Rechtsstudent Louis Antoine de Saint-Just, der sich als Dichter und Schriftsteller zu Großem berufen fühlt und so bald als aufstrebender Politiker und genialer Redner einen Platz in der Revolution findet. Sein Ehrgeiz und seine Ideen führen ihn bald an die Seite von Maximilien Marie Isidore de Robespierre, dem Initiator für den als „Verteidigung der Republik“ begründeten Terreur von 1793/94. Spannend wird die Errichtung einer Republik mit radikaldemokratischen Zügen beschrieben, die mit Mitteln des Terrors und der Guillotine alle „Feinde der Revolution“ verfolgt.


"Eine neue Zeit bricht an, die Zeit des aufrechten Menschen."


Eine dieser Feinde und berühmte Märtyrerin der "Konterrevolution" ist Marie Charlotte Corday, welche einen Nebenhandlungsstrang führt, der erst ab einem guten Drittel des Buches auftaucht, jedoch nicht weniger spannend ist. Sehr berührend begleiten wir die junge Frau auf ihrem Weg aus dem Kloster zur Guillotine - nach ihrem geschichtsträchtigen Mord an dem radikalen Journalisten und Politiker Jean Paul Marat.


"Es war nicht nur Hass, der sie anstachelte, das Eisen ihrer Ketten zu schmelzen. Es war auch Furcht. (...) Nie zuvor und nirgends sonst auf der Welt hatte sich ein geknechtetes Volk soweit vorgewagt. Seine Schreie drangen in alle Städte und Provinzen, echoten über die Grenzen und lösten eine Epidemie der Unruhe aus, Das Fieber packte jeden und entfesselte Jahrhunderte lange niedergedrückte Wut, die sich als brandende Zornesflut übers Land ergoss."


Wer sich ein wenig mit der Geschichte dieser Zeit auskennt, weiß natürlich um das tragische Ende aller der Hauptpersonen. Trotzdem ist es nicht minder spannend, sie bis zum Ende zu begleiten. Der Schreibstil ist wieder sehr flüssig, was durch die vielen beschreibenden Faktendarstellungen und Szenensprünge ein wenig ausgehebelt wird. An einigen Stellen der 760 Seiten wurde das Buch zudem ein wenig langatmig, da scheinbar unnütze Szenen und Wiederholungen einiger Vorgänge das sonst flüssige Tempo verlangsamten. Gerade in der Mitte des Buches hatte ich wieder einen kurzen Lesedurchhänger, was auch daran liegen könnte, dass mich die ganze Flut aus Informationen und Fakten ein wenig verwirrt hat. Wieder hat mir die Darstellung der wichtige Personen und Ereignisse, die in Zusammenhang mit der Revolution immer fallen, sehr gut gefallen. Die Motive und die Stimmung des Landes ergeben für das Ganze einen authentischen Rahmen, sodass ich auch hier wieder von der Recherchearbeit, die Christina Geiselhart geleistet hat, überrascht war.


"Und wieder nahm die Nacht kein Ende.
Im Schein des Feuers begrub man die Toten."



Dennoch sind historische Romane einfach nicht mein bevorzugtes Genre, da mir die Geduld und die Konzentration fehlt, die man hier für all die ausgiebigen Politik Diskussionen der Hauptcharaktere, die seltsamen Andeutungen über geheimnisvolle Untergruppen oder revolutionäre Zusammenhänge braucht und ich musste eine Menge nachrecherchieren, um nicht komplett durcheinander zu kommen. Wer waren jetzt noch mal die Sansculotten oder die Girondisten, die Jakobiner, welche der tausend Charaktere des Konvents mit den verwirrenden französisch-adeligen Namen gehörten zu welcher Gruppe und was zum Teufel wollten die eigentlich? Nun ja, Wikipedia weiß die Antwort...


"Freundschaft ist Gold wert, Liebe höchstens Kupfer, wenn überhaupt", rief ihm Antoine traurig zu."



Um den reinen Unterhaltungswert des Buches neben all den Fakten und Darstellungen zu beschreiben: joa. Wenn man sich nicht für die dargestellte Zeit interessiert und nicht gewillt ist, die Geschichte rein im historischen Kontext zu betrachten, der wird hier nicht besonders gut unterhalten werden. Wieder verlieren die Charaktere neben all den Informationen und Entwicklungen dieser Zeit, die an sich schon ein ganzes Buch füllen könnten, an Aufmerksamkeit. Auch aufgrund der notwendigen Distanz, mit der man das Handeln der Protagonisten betrachten muss, um sie kritisch als Figuren sehen zu können, ist es schwer, sie zu mögen. So kann man zwar die Handlungsgründe der Revolutionäre und Konterrevolutionäre nachvollziehen, ein wirkliches Verständnis wird jedoch nicht hervorgerufen. Ob man das bei dieser schwierigen Perspektive muss, ist wieder eine andere Frage.

"Nicht das Ziel ist das Glück, sondern der Weg", murmelte Louise. Wenn aber nun mein Weg nicht der geruhsame ist, sondern der kämpferische, der von reißenden Strömen überschwemmte Pfad zu ihm, zu Antoine? Wenn ich nun alles auf mich nehmen will, Schade, Armut und Unsicherheit, nur um in seinen Armen zu liegen?"


Louis-Antoine de Saint-Justs Charakter ist DAS Beispiel für das, was ich meine. Zwiespältiger könnte ein Charakter gar nicht gezeichnet sein. Auf der einen Seite inspirierte er die Menschenrechtserklärung, setzte sich für Gerechtigkeit und gegen die Todesstrafe ein, andererseits geht er als „Todesengel“ in die Geschichte ein, wird als herzlos und kalt beschreiben. Wer ist dieser junge Mann, der mit fünfundzwanzig Jahren durch seine ungewöhnlichen Reden, seine Begabung und seine Entschlossenheit auffiel? Er hat der Monarchie mit seinen Begründungen den entscheidenden Stoß versetzt und das Terrain für eine neue Gesellschaft geebnet, aber er und seine Regierung waren nicht fähig, auf den Trümmern der Monarchie das zu errichten, von dem er träumte: eine versöhnte Menschheit, eine Republik der Verzeihung, eine Rechtsprechung, die den Angeklagten nicht als schuldig befindet, sondern als schwach. Ist er also schuldig, ein Monster und kalter Ankläger, ein vom grausamen Geist der Revolution gezeichneter Denker, oder ein Lügner und Marktschreier? Sein Charakter ist vielfältig, wie er hier auch gezeichnet wird.


"Sein Leben war Traum und Alptraum zugleich, deshalb gelang es ihm nicht, zu leben."



Und so erschien auch dieser Roman auf mich. Er versucht, alle Seiten dazustellen, ohne ein Urteil zu fällen und lässt es an dem Leser, über die Charaktere zu richten.



Fazit:

Eine vielseitige Darstellung der Französischen Revolution, die sich vor allem kontrovers mit Louis-Antoine de Saint-Just beschäftigt. Für Fans von historischen Romanen ein Muss!

Schaut doch mal auf meinem Blog vorbei:

www.w0rdw0rld.blogspot.com

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