Christina Hesselholdt

 3,8 Sterne bei 8 Bewertungen
Autor*in von Vivian und Gefährten.

Lebenslauf

Christina Hesselholdt, geboren 1962, gilt als eine der außergewöhnlichsten Stimmen der zeitgenössischen dänischen Literatur. Ihr Werk wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Beatrice Prize (2007), dem Critics’ Prize (2010) und zuletzt (2018) dem Grand Prize of the Danish Academy. 2018 erschien ihr Roman "Gefährten", 2021 das Roman-Porträt "Vivian" bei Hanser Berlin.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Christina Hesselholdt

Cover des Buches Vivian (ISBN: 9783446265899)

Vivian

 (4)
Erschienen am 20.07.2020
Cover des Buches Gefährten (ISBN: 9783446260429)

Gefährten

 (4)
Erschienen am 23.07.2018

Neue Rezensionen zu Christina Hesselholdt

Cover des Buches Vivian (ISBN: 9783446265899)
sursulapitschis avatar

Rezension zu "Vivian" von Christina Hesselholdt

Innovativ
sursulapitschivor 3 Jahren

So ein Buch habe ich noch nie gelesen. Es ist eigen, originell und hat einen ganz speziellen Charme.


Wikipedia:
 „Vivian Dorothy Maier (* 1. Februar 1926 in New York; † 21. April 2009 in Chicago) war eine US-amerikanische Staatsbürgerin französischer Prägung, Kindermädchen, Haushälterin und Amateur- bzw. Freizeitfotografin. Bekanntheit erlangte Maier erst kurz nach ihrem Tod durch die zufällig entdeckte, unfreiwillig versteigerte Hinterlassenschaft einer ungewöhnlich großen Zahl fotografischer Schwarzweißaufnahmen.“

 

Eine wirklich kuriose Vita. Wer war diese Frau, die als Kindermädchen arbeitete aber immer und überall nahezu besessen fotografierte?

Diese Frage behandelt dieses Buch auf ganz eigene Weise. Eine Romanbiografie in Stichworten kann man es vielleicht nennen. Vivian Maier erzählt aus ihrem Leben und unterhält sich mit einem Erzähler darüber, eine Art Schlagabtausch, der witzig und aufschlussreich ist. Zusätzlich melden sich noch die unterschiedlichsten Menschen zu Wort, die in ihrem Leben eine Rolle gespielt haben und erzählen von ihrer eigenen Situation aber auch davon, was sie mit Vivian erlebt haben.  

Die Kapitel sind kurz, manchmal sind es sogar nur wenige Sätze, stellen aber Vivians sehr speziellen Charakter sehr schön dar. Sie war eine Einzelgängerin, menschenscheu aber nicht schüchtern, eine Frau, die weiß was sie will. Sie wollte ihre Ruhe haben und Fotos machen, sah ständig Motive, die festgehalten werden müssen und die sie dann sammeln konnte, ohne ihre Werke der Öffentlichkeit zu präsentieren.  Warum so jemand ausgerechnet Kindermädchen wird ist eine Frage, die offen bleibt.

Die Handlung selbst, also der Verlauf von Vivians Leben, geht dagegen etwas sprunghaft voran. Eigentlich sind es eher Impressionen aus ihrem Leben als eine stringente Handlung. Das ist zwar kunstvoll, hat mir aber weniger gefallen. Man springt von ihrer Kindheit in ihre 40er Jahre und dann wieder zurück zur Teenagerzeit. Ich hatte etwas Schwierigkeiten, mich darauf einzulassen.

Außerdem haben mir Fotos gefehlt. Ein Buch über eine Fotografin ohne Fotos ist deutlich verschenktes Potenzial. Viele ihrer Aufnahmen werden beschrieben, auch die Situationen, während denen sie entstanden sind. Man kann sie mit etwas Glück bei Google finden, grandios wäre es gewesen, sie im Buch zu entdecken. Wenigstens Fußnoten, die zu einer Bildergalerie irgendwo im Web führen, hätte man leicht einbauen können und hätten diesen spannenden biografischen Roman zu einem Erlebnis machen können.

Trotzdem hat mir das Buch gut gefallen. Es hat mir unterhaltsam und sehr originell eine ganz besondere Frau nahegebracht, von der ich vorher noch nie gehört hatte. Diese höchst innovative Art, eine Biografie zu schreiben, sollte Schule machen.

Cover des Buches Gefährten (ISBN: 9783446260429)
BluevanMeers avatar

Rezension zu "Gefährten" von Christina Hesselholdt

Gefährten - Todtraurig und absurdkomisch
BluevanMeervor 5 Jahren

Nach Kristian wünsche ich mir einen Mann ohne Schnickschnack, wie ein Roggenbrot, wie ein blauer Himmel. Doch gleichzeitig wünsche ich mir immer auch etwas Heftiges, etwas Überwältigendes, was die Seele dazu treibt, sich immer weiter zu drehen. (Alma, S.327)


Alma und Kristian, Camilla und Charles, Edward und Alwilda sind Freund*innen und leben in Kopenhagen. Eine durchgängige Handlung gibt es nicht. In verschiedenen Episoden folgen die Leser*innen der Clique durch die Höhen und Tiefen ihrer Beziehungen zueinander. In den verschiedenen inneren Monologen wird herumgewitzelt, Literatur empfohlen und jede Befindlichkeit und Gemütsregung genussvoll ausgebreitet. Es geht um die Freundschaft zueinander,die eigene Unzulänglichkeit und den Tod. Eine eigene Familien gründet niemand, stattdessen beschäftigen sich die Gefährten und besonders die Frauen in den Paarbeziehungen vor allen Dingen mit sich selbst und mit ihren Eltern. 

Die Gefährten sind Mitte Vierzig. Kristian ist Arzt, Alma ist Lehrerin, Edward ist Künstler und Camilla, Charles und Alwilda schreiben. Früher war Alwilda mal mit  Edward zusammen, aber nach dem gemeinsamen Suizid seiner Eltern verlässt sie ihn. Edward kauft sich daraufhin einen Hund. Camilla steht im Zentrum der Erzählung. Sie ist mit Charles zusammen, der an einem Rückenleiden erkrankt ist, an der Krankheit wird die Beziehung auch scheitern. Alwilda ist Camillas beste Freundin, sie kennen sich seit ihrer frühesten Jugend. Camillas Mutter ist an Krebs erkrankt und ihre Tochter kümmert sich um sie. Nach ihrem Tod kauft sich Camilla ein Pferd. 

Besonders gefallen haben mir die zahlreichen literarischen Anspielungen und Verweise auf andere Texte. Und das geht von der englischen Romantik über Harry Potter bis zu Pu, dem Bären. Der Roman beginnt damit, dass Kristian und Alma in North Yorkshire auf den Spuren der Lake Poets, also Wordsworth und Coleridge, reisen. Kristian denkt über die Brontë-Schwestern nach und entdeckt sogar Parallelen seiner eigenen Ehe zu der wirklich sturmgebeutelten Beziehung von Catherine und Heathcliff in Wuthering Heights.

Aber auch Alma und Camilla reisen noch einmal gemeinsam durch England. Camilla ist eine eifrige Vielleserin. Iris Murdoch, Thomas Bernhard, Vladmir Nabokov und John Fowles gehören zu ihren Lieblingsschriftsteller*innen. Wenn sie Alma ihre Bücher leiht und diese sie nicht sehr bald zurückbringt, fühlt sie sich nicht gut. Während der gemeinsamen Reise schwelgen die Freund*innen in den Texte von Virginia Woolf und Sylvia Plath. Überhaupt ist das Thema Suizid immer wieder im Text präsent, mal sehr unterschwellig, mal ganz direkt, zum Beispiel wenn Camillas Cousine sich daran erinnert, dass ihre Mutter (Camillas Tante) ebenfalls einen Suizidversuch überlebt hat. 

Der Text kommt sehr leichtfüßig und poetisch daher, auch wenn man das bei der beschriebenen Tiefe und Tragik der Themen kaum glauben kann.  Immer wieder ist der Roman neben den tragischen Momenten auch von einer unglaublichen Komik durchzogen. Übrigens wird keine der Paarbeziehungen bis zum Ende des Romans aufrechterhalten. Auch wenn in Camillas Fall nicht einmal eine andere Frau auftauchen muss. In den inneren Monologen der Gefährten bleibt sehr viel Zeit für Erinnerungen an Gespräche, Statements zu Verhaltensweisen der anderen und insgesamt findet  ein reger und sehr unterhaltsamer Austausch über Älterwerden, Sex, Liebe, Ehebruch und Angst um die Welt an sich statt. 

Das klingt nach einem großen Durcheinander und einem ziemlich traurigen Buch. Aber das ist es nicht. Christina Hesselholdt hat einen mitreißenden, hochliterarischen und sehr klugen Roman über das Leben geschrieben, in dem viel Schweres sehr leichtfüßig, berührend und auf komisch abgründige Weise erzählt wird. 

Gespräche aus der Community

Starte mit "Neu" die erste Leserunde, Buchverlosung oder das erste Thema.

Community-Statistik

in 21 Bibliotheken

auf 11 Merkzettel

Worüber schreibt Christina Hesselholdt?

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks