Cover des Buches Bittere Wunder (ISBN: 9783570401613)
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Rezension zu Bittere Wunder von Christina Meldrum

Rezension zu "Bittere Wunder" von Christina Meldrum

von Kittyzer vor 11 Jahren

Rezension

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Kittyzervor 11 Jahren
- Detective, nur damit das klar ist, Sie haben keinerlei Hinweise für eine Verbindung von Aslaug mit dem Tod der beiden Frauen oder dem Brand, außer dass sie sich am Tatort aufhielt, ist das richtig? - Unter den gegebenen Umständen würde ich sagen, dass das doch ausreichen sollte. - Einspruch. Antrag auf Streichung. Spekulation. - Stattgegeben. - Bitte beantworten Sie die Frage mit Ja oder Nein. - Nein. - Danke, Detective. Ich habe keine weiteren Fragen. -- INHALT: Die 15jährige Aslaug wächst in völliger Isolation auf, ihre einzigen menschlichen Kontakte sind ihre eigene Mutter; zynisch, spöttisch, grausam, aber auch ihre Beschützerin, und der Nachbar, der nur beobachtet. Aslaug weiß alles über Pflanzen und ihre Kräfte, aber das wirkliche Leben lernt sie kaum kennen. Jedenfalls nicht, bis ihre Mutter unerwartet stirbt. Sie findet Unterschlupf bei ihrer Tante Schwester und deren Kindern, doch auch dort fühlt sie sich nicht frei. Die krankhafte Religiosität ist für sie wie ein neues Gefängnis. Dann kommt es zu zwei Toten und einem Brand - und Aslaug steht vor Gericht... MEINE MEINUNG: "Bittere Wunder" von Christina Meldrum hebt sich ganz klar von anderen Jugendbüchern ab, das ist schon am Klappentext erkennbar. Denn hier geht es nicht um das Gefühlschaos eines jungen Mädchens, um die erste Liebe oder etwaige Zauberreiche - sondern stattdessen um Religion, Pflanzen, Schmerz und Gewalt. Geschrieben ist die Geschichte im Präsens aus der Ich-Perspektive der Hauptfigur, wobei der Stil äußerst komplex und durchzogen von Erklärungen verschiedener Pflanzen ist. Eine gewisse Konzentration ist also erforderlich. Wer sich allerdings darauf einlässt, wird mit einem Roman ohnegleichen belohnt. Protagonistin Aslaug ist ganz sicher keine einfache Erzählerin. Abgeschieden von der Außenwelt kennt sie sich mit dem Leben eigentlich nicht aus und ist daher manipulierbar, unsicher, manchmal schwach. Eine wirkliche Sympathie kann man zu ihr nicht entwickeln - das heißt aber nicht, dass sie nicht absolut glaubwürdig ist. Sie hat einfach nie gelernt, was es heißt, eine Familie zu haben und ohne Isolation zu leben, weswegen ihre Handlungen durchaus nachvollziehbar sind. Ihre Mutter lernt man nur auf den ersten 100 kennen, aber auch später berichtet Aslaug noch in Rückblicken von ihr. Maren hat als junges Mädchen ein Kind bekommen und sich nie damit abgefunden, denn sie erwartete etwas anderes. Ihre Erziehung ist grausam und lieblos, aber dennoch gibt sie ihrer Tochter so viel auf den Weg wie möglich, was sie dem Leser nicht völlig fern werden lässt. Ansonsten gibt es nicht viele weitere Personen in diesem Roman und das ist auch genau richtig, denn auf diese Weise lernt man die übrigen alle bis ins Detail kennen. Aslaugs Tante Sara erscheint einem anfangs wie eine gütige, wenn auch religiöse Frau, doch es wird bald erkenntlich, dass die Trennung von ihrem Mann heftige Spuren bei ihr hinterlassen hat. Ihre Tochter Susanne ist eine Rebellin und versucht, sich von anderen Menschen abzuheben, gerät dabei allerdings in einen Strudel des Wahnsinns. Und Aslaugs Cousin Rune, ihre erste Liebe, wird nie ganz greifbar - er ist zwar der freundlichste, gutmütigste, aber auch der am schwersten zu durchschauende. Die Nebencharaktere hat Meldrum eindringlich und gut gezeichnet, wodurch sie alle wie real erscheinen. Jedes Kapitel ist in der Überschrift mit einer bestimmten Pflanze gekennzeichnet, die währenddessen eine größere oder kleinere Rolle spielt, auf jeden Fall jedoch immer erklärt wird. Abwechselnd damit gibt es aber auch Verhöre aus dem Gerichtsprozess, in denen entweder in der Handlung vorgegriffen oder nachträglich etwas aufgeklärt wird. Diese beiden Stilmittel ergänzen sich wunderbar und sorgen für einiges an Spannung. Die Geschichte selbst ist anders als erwartet weniger phantastisch als man vom Cover her vielleicht vermuten würde. Stattdessen ist es, wie im Klappentext beschrieben, in vielerlei Hinsicht sehr religiös. Dieser Aspekt stört aber nicht, denn er gehört sowohl zu Aslaugs Geburt und zu ihrer Erziehung als auch zu ihrem Leben bei der Schwester ihrer Mutter. Und wenn das jemand wie ich als bekennende Atheistin sagt, dann ist da wahrscheinlich auch etwas dran. Die Autorin versteht es hervorragend, den Leser die meiste Zeit über im Ungewissen zu lassen, immer wieder mit neuen Fakten zu verwirren, die sie dann zurücknimmt, und den Fortgang dennoch absolut authentisch zu gestalten. Die Story selbst ist erschreckend, manchmal grausam und auf jeden Fall nachdenklich stimmend. Ich war die gesamte Zeit über gefesselt, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es nun zu dem Brand kommt und was genau Aslaug damit zu tun hat. Die Auflösung führt dann in gewisser Weise zurück an den Anfang, ist gut durchdacht, schlüssig und vermittelt vor allem Hoffnung für die Protagonistin, dass diese für sich endlich das Leben findet, das sie immer schon verdient hatte. Und der Leser weiß hinterher eines auf jeden Fall: Dass das nächste Buch dieser Frau ganz sicher gelesen werden muss! FAZIT: Christina Meldrum ist mit "Bittere Wunder" etwas völlig anderes gelungen. Ihre Geschichte ist komplex und geht in viele verschiedene Richtungen, ohne mit der Religion und Spiritualität je zu nerven. Stattdessen fesselt das Werk ungemein, weil sich nur langsam, aber durchdacht und stetig, der letztendlichen Auflösung genähert wird. Wer sich darauf einlässt, wird definitiv nicht enttäuscht werden! 5 Punkte.
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