Cover des Buches Stumme Angst (ISBN: 9783570162651)
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Rezension zu Stumme Angst von Christina Stein

Beklemmend, obwohl mein Mitleid mit dem Opfer fehlte

von Gurke vor 10 Jahren

Rezension

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Gurkevor 10 Jahren
„Ich habe Angst. Ich habe solche Angst.“ (S.5) wimmert Anna, die von Natan entführt wurde, mit dem sie vor einiger Zeit eine kurze Affäre hatte, die sie aber schnell beendete, weil ihr der junge Mann unheimlich war. Natan selbst ist besessen von der Idee durch die hübsche 18-Jährige mit den endlosen Beinen der Einsamkeit zu entfliehen und gemeinsam glücklich zu werden. Dafür nimmt er sich auch was er braucht, um sie zu dem Glück zu zwingen – schließlich ist er der Chef und ein Messer immer in greifbarer Nähe.
Liam, Annas aktuelle Eroberung, ist unterdessen außer sich vor Sorge und beschließt auf eigene Faust und der Hilfe der besten Freundin Marie die Liste der potentiellen Verdächtigen abzuarbeiten, denn die Polizei vertritt die Meinung, dass 80% der Vermissten nach einer Woche freiwillig wieder auftauchen – die Woche ist um und Natans Geduld ist es auch!

Die beklemmende Situation in der sich die Entführte befindet, wurde von der Autorin sehr anschaulich und glaubhaft durch kurze Sätze unterstützt, die den Eindruck erwecken, als würde Anna wie ein verängstigtes Tier unter einem ständiger Fluchtdrang stehen, aber von der Bedrohung durch den launischen und aggressiven Natan gleichzeitig zu Boden gedrückt.

Auf den ersten Blick kann dieser Stil abgehakt und unharmonisch wirken, doch die emotionale Distanziertheit, die daraus wächst, war für diesen Jugendthriller genau richtig, um uns Leser in die gleiche Panik zu versetzen. Die Seitenzahl war nicht so hoch ist und dadurch der Effekt positiv - bei längeren Büchern mit engerer Schrift wäre wahrscheinlich davon abzuraten.

Etwas unglücklich waren dagegen manche Perspektivenwechsel, bei denen von einem aktiven Dialog plötzlich übergangslos in die Gedanken an vergangene Situation abschweiften, aber nicht als solche gekennzeichnet wurden, weshalb der rote Faden abrupt und ohne Vorwarnung gerissen ist.

Als studierte Kunsthistorikerin hat es sich die Autorin nicht nehmen lassen auch einen ernsten Nebenstrang aus der Nazihochzeit einzuflechten, der Hand in Hand mit Annas Schicksal geht und für einen weiteren aufwühlenden Brennpunkt sorgt.

So furchtbar wie die Situation für das Opfer ist, so wenig Mitleid hatte ich zum Schluss bzw. nach dem Epilog mit Anna, da sie ihre Partner nach wenigen Wochen wie Müll entsorgt und vor unbequemen Situationen wie ein Kind davonläuft. Die mangelnde Stabilität auf diesem Gebiet lässt sich zwar mit dem frühen Verlust der Eltern entschuldigen, aber macht das Verhalten trotzdem nicht sympathischer und das Ende nicht erfreulicher.

„Stumme Angst“ ist damit eines der wenigen Bücher bei denen ich mit den Angehörigen mehr mitfiebern konnte, als mit dem eigentlichen Opfer und deshalb wird mir Christina Steins spannendes Thriller-Debüt definitiv im Gedächtnis bleiben. :-)
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