Sommer 1950 auf Cape Cod, der schnörkeligen Halbinsel in Neuengland, die mit atemberaubend schönen Stränden lockt. Das Künstlerehepaar Hopper hat hier ihren Zweitwohnsitz mit Privatstrand. Der berühmte Maler Edward ist kränklich und auf der Suche nach Inspiration für neue Werke. Seine Frau fühlt sich in seinem Schatten benachteiligt, würde sie doch auch gerne Bilder erschaffen und verkaufen.
In einem Ferienhaus unweit der Hoppers hat sich Mrs Kaplan eingemietet mit Tochter, verwitweter Schwiegertochter, Enkel, Hund und einem Feriengast: dem deutschen Waisenjungen Michael, nach dem 2. Weltkrieg nach Amerika adoptiert.
Mit ihm und seiner Reise von New York zu Mrs Kaplan beginnt dieser – sich an historischen Fakten orientierendem – Roman. Der traumatisierte Junge ist verschlossen, vor allem gegenüber Richie, dem leicht trotteligen Kaplan-Enkel, für den er eigentlich als Spielkamerad vorgesehen war. Stattdessen freundet er sich lieber mit Josephine Hopper („Mrs Aitch“) an, die ihrerseits froh ist, von ihren Eheproblemen abgelenkt zu werden.
Christine Dwyer Hickey hat greifbare Persönlichkeiten erschaffen und arbeitet mit stetig variierenden 3.-Person-Perspektiven in erster Linie ihre Sonnen- und Schattenseiten heraus. Mit dieser Art der Figurenzeichnung orientiert sie sich wiederum ganz klar an Hoppers Bildern, die mit ihren ganz klaren, scharfkantigen Lichtverhältnissen bestechen: ein kleiner Geniestreich, der mindestens bei mir seine Wirkung entfalten konnte und mich seine Werke nun mit einem ganz anderen Auge betrachten lässt.
Allerdings entstehen durch diese mit dickem Pinselstrich aufgetragenen Charakterdarstellungen auch gewisse Überzeichnungen und Redundanzen, denn die Autorin gibt ihren Figuren nur begrenzte Chancen zur Weiterentwicklung. Und dieser Punkt hat mich am Ende wohl am meisten enttäuscht: Alles beim Alten. Der Faden zur anfangs detailliert eingeführten Figur Michael verliert sich gänzlich, Mrs Kaplan und ihre Familie bleiben die ganze Zeit über nur oberflächlich skizziert und die Hoppers – nun, bei den Hoppers gibt es einen zarten Keimling der gegenseitigen Wiederannäherung zu beobachten, allerdings so vage, dass… ja, was denn nun?
Was mir diese Geschichte vermitteln möchte, kann ich somit nicht so ganz greifen.
Und das, obwohl ich dieses Buch eigentlich gerne gelesen habe. Die Dialoge sind brillant, sie vermögen mit wenigen Worten ein plastisches Bild des amerikanischen Lebenswandels nach dem 2. Weltkrieg zu zeigen. Auch die Naturbeschreibungen beeindrucken mit vielfältigen Sprachbildern.
Das Cover stimmt wunderbar auf den Inhalt ein: Es zeigt einen Ausschnitt aus einem von Hoppers Werken, das sowohl auf die harten Licht- und Schattenkontraste hinweist als auch die belastete Grundhaltung der Figuren.
Es zeigt auf einen einzigen Blick, was mir von diesem Buch in Erinnerung bleiben wird: eine beeindruckende Umwandlung von Malerei in Literatur.