Cover des Buches Totenprinz (ISBN: 9783442374380)
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Rezension zu Totenprinz von Christine Westendorf

Rezension zu "Totenprinz" von Christine Westendorf

von M.Lehmann-Pape vor 13 Jahren

Rezension

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M.Lehmann-Papevor 13 Jahren
Die tödliche Sehnsucht mancher Frauen Aus ganz unterschiedlichen Ursachen heraus tragen einige der Frauen des Buches eine große, romantische Sehnsucht in sich. Eine Gefühlskälte in der Ehe von Seiten des Mannes, der dann auch noch die Trennung will. Eine Nicht Anwesenheit des Mannes, der in vielerlei Geschäften erfolgreich ständig unterwegs ist und auch bei physischer Anwesenheit nicht viel Beachtung schenkt. Selbst Kommissarin Greve ist dagegen nicht gefeit, auch in ihrer Ehe erlebt sie ein ums andere Mal ihren Mann,d er sich nur um sich selber dreht. Eine Sehnsucht, die Christine Westendrof in einem der drei Erzählstränge Ihres Buches einfühlsam und emotional dicht am Beispiel Amandas schildert. Eine Sehnsucht, die in Zeiten des grassierenden Internetdatings nicht ungestillt bleiben muss. Mit tödlichen Folgen. Zunächst eine, dann zwei weibliche Leichen werden, sexuell brutal misshandelt, in Hamburg aufgefunden. Für Kommissarin Greve, die noch dabei ist, die kurze aber heftige Affäre mit dem Bruder ihres Mannes zu verdauen, ist zunächst nicht klar, was der Hintergrund dieser Morde sein könnte. Dem Leser aber eröffnet sich schon zu Beginn des Buches Schritt für Schritt jene Sehnsucht und jener Hunger nach Aufmerksamkeit, der die beiden Frauen zu einer Datingbörse ins Internet brachte und dort auf ihn treffen ließ. Den romantischen, attraktiven, redegewandte „Traumprinzen“, der sich bei beiden Toten beim ersten Treffen als „Totenprinz“ erwies. Auch Amanda geht einem ersten Treffen mit diesem Mann entgegen, von dem sie kein Bild erhält, aber der sie schon längst kennt und genau weiß, mit welchen Worten und Fantasien er Amanda in seine Arme bringen wird. Mittlerweile aber wird auch der Kommissarin und ihrem engstem Mitarbeiter Weber deutlich, in welchen Zusammenhängen sie ihre Ermittlungen vertiefen müssen. Anna Greve selbst nimmt über das Internet Kontakt auf und Lügen muss sie ja gar nicht, auch in ihr rührt sich die innere Stimme der romantischen Lust und Sehnsucht. So beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, der eine dichte und emotionale Atmosphäre im Buch entstehen lässt bis zum Finale hin, dass Westendorf ebenso souverän und akribisch gestaltet, wie sie den einzelnen Erzählsträngen im Buch nachgeht. Neben der Ermittlungsarbeit und dem Weg Amandas immer tiefer in das Netz des Mörders hinein erlaubt sie dem Leser in einem dritten Erzählstrang immer wieder Blicke auf den Mörder, seine Arbeit, seine Vergangenheit, seine harte und ordinäre Denkweise Frauen gegenüber. So ist der Leser lange Zeit der Kommissarin um einige Schritte voraus, bis zum Ende des Buches hinein die Stränge ineinanderfallen und das Tempo sich angleicht. Die moderne Form der sexuellen und emotionalen Kontaktaufnahme mit all ihren Möglichkeiten, aber auch ihren Gefahren trifft Westendorf auf den Punkt, gerade auch in den diversen Emails über solche Datingseiten. Verständlich versteht sie es darzustellen, warum einige der Frauen jede Vorsicht verlieren und wie schnell, aus dem eigenen Bedürfnis heraus, eine gesunde Skepsis verschwindet, wenn nur die richtigen Strippen der Sehnsucht gezogen werden. In vielfach sorgfältig gestalteten Dialogen legt Westendorf so die Innen Seiten ihrer Protagonisten und vor allem Protagonistinnen offen, ein Stil, mit dem es ihr gelingt, eine hohe Realitätsnähe der Handlung zu erzeugen. Manche Längen und einige doch auch künstlich wirkende Dialoge seien nicht verschwiegen, alles in allem aber ein souveräner und solider Krimi, der in vielen Bereichen auf den „schmerzlichen“ Punkt der Gefahr eines innerlich leeren Lebens in der heutigen Zeit trifft und die Gefahren von großer Sehnsucht und mangelnder Distanz ernüchternd vor Augen führt.
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