Cover des Buches Solothurn streut Asche (ISBN: 9783960411857)
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Rezension zu Solothurn streut Asche von Christof Gasser

Aschekreuz, Filz und braune Läuse in Solothurn

von Antek vor 7 Jahren

Rezension

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Antekvor 7 Jahren

Schon mit „Solothurn trägt Schwarz“ hat mich der Autor davon überzeugt, dass er unbedingt auf die Liste meiner Lieblingsschriftsteller gehört. Ich war deshalb sehr gespannt auf die Fortsetzung und auch dieses Mal hat Christof Grasser einen brandaktuellen, spannungsgeladenen Krimi vorgelegt, der mich von Anfang bis Ende begeistert hat.

Es geht sofort in die Vollen. Was wollte die beunruhigte Ordensschwester von Kantonspolizist Dominik Dornach bevor sie ermordet wurde? Was hat es mit dem aufgemalten Aschekreuz auf sich, mit dem die Leiche wenig später aufgefunden wird? Maja Hartmann übernimmt stellvertretender Weise den Fall, da Dominik Dornach noch Jana Cranach zu ihrem neuen Einsatzort bei Europol als „Deputy of Operation“ begleitet. Bei seiner Rückkehr schlagen die Wogen hoch in Solothurn. Staatsanwältin Angela Casagrande hat einen Hausherrn angeklagt, der angeblich in Notwehr einen jugendlichen Migranten bei einem Einbruchversuch erschlagen hat. Der rechtsradikalen Fortschrittspartei, die kurz vor den Wahlen steht, kommt dieser Fall gerade recht um die Stimmung anzuheizen. Casagrande braucht alle Unterstützung, die ihr Dornach natürlich zusichert. Derweil macht diesem sein Töchterchen Sorgen, denn sie beschließt ausgerechnet in dieser angespannten Lage vor Ort, sich gemeinsam mit ihrer neuen Bekannten Lori Palmer für die Rechte der Emigranten einzusetzen, natürlich wie immer an vorderster Front.

Auf den ersten Blick scheinbar lose Enden, oder haben diese diversen Schauplätze etwas gemein? Man ist als Leser sofort im Bann dieser vielschichten Handlung. Wer steckt hinter dem Mord an der Nonne? War es wirklich Notwehr, oder eigentlich doch nicht wirklich? Bringt sich Töchterchen Pia schon wieder unnötig in Gefahr? An was arbeitet Jana, was hat es mit der Paneuropäischen Front, den rechtsextremen Parteien und den christlich fundamentalistischen Gruppierungen auf sich? Nicht nur jeder einzelne Strang ist super spannend, sondern natürlich auch der gesamte Zusammenhang. Dieser ist grandios konzipiert und auch wirklich erst auf den letzten Seiten vollständig zu durchschauen. Zusätzlich eingeschobene kursive gedruckte Kapitel, die von einem regelrechten Alptraum erzählen machen die Geschichte zu einem Pageturner, den man nicht mehr aus der Hand legen kann.

Der locker, leichte Schreibstil des Autors hat unbeschreibliche Sogwirkung. Die relativ kurzen Kapitel und die häufigen Perspektivwechsel lassen einen regelrecht durch die Seiten fliegen. Christoph Grasser versteht sich geschickt darauf Emotionen beim Leser zu schüren. Ich hatte stellenweise einen richtigen Hass auf korrupte Leute, habe gelitten beim unvorstellbaren Unrecht was hier Menschen angetan wird, habe bei einigen Szenen vor Angst mit Gänsehaut gebibbert, aber habe mich auch über Erfolge mitgefreut. Sehr gut gefällt mir, dass es auch immer wieder etwas zu schmunzeln gibt. Dafür sorgt vor allem Maja, die sich kein Blatt vor den Mund nimmt und auch um einen guten Spruch stets nie verlegen ist. So kann von ihr schon einmal kommen „Mode Ikone war sie keine. Es sei denn, ich hab was verpasst und der Stil alte Jungfer ist gerade hip geworden“ oder sie klärt Kollege Sebi darüber auf, dass die Proteine aus seinem Lammspieß eher am Bauch ansetzen, als das Denkvermögen zu erhöhen. Der Autor beschreibt, so, dass ich mir alles bildlich ausmalen konnte, so weiß doch wohl ein jeder, was die Worte der „Bauchansatz ist auf Expansionskurs gegangen“zu bedeuten haben.

Der Autor hat sich hier an ein brandaktuelles Thema gewagt und das in einem spannungsgeladenen Krimi hervorragend integriert. Flüchtlingspolitik, Fremdenhass, rechtsradikale Tendenzen, aber auch das Zusammenspiel von Kirche, bzw. Glaube und Politik, das schon seit Jahrhunderten tief verwurzelt ist, werden hier ohne zu polarisieren thematisiert. Auch wenn sich der ein oder andere seiner Charaktere schon einmal zu Äußerungen wie „Filz“, „braune Läuse“, „Verein intellektueller Einzeller“ oder vom „geistigen Dünnschiss einlullen lassen“ hinreißen und sich darüber aufregen lassen, überlässt er es dem Leser selbst sich seine Gedanken zu machen. Nicht nur einmal hat er mich zum Überlegen gebracht, ist z.B. ein Mord an einem bösen Menschen, anders zu bewerten? Mord ist Mord, daher definitiv nein, aber ganz konnte ich mich beim Lesen meines Gerechtigkeitsempfindens, das anders spricht, nicht befreien.

Viele der Charaktere kannte ich bereits und für mich war es ein Wiedersehen mit alten Bekannten, über das ich mich sehr gefreut habe. Dornach, der Mann, der scheinbar bei allen Frauen hoch im Kurs steht, spielt dieses Mal nicht die Hauptrolle. Relativ wenig mit von der Partie ist auch Jana Cranach, die aber entscheidende Einsätze nicht verpasst und dies daher für mich nicht weiter tragisch war. Ganz im Gegenteil ich fand sogar gelungen, dass die Ermittlungen dieses Mal auf so viele Schultern verteilt werden. Gerade bei einer Reihe, die ich mit Sicherheit weiter verschlingen werde, freut es mich die Charaktere besser kennen lernen zu dürfen. So hat Angela Casagrande einiges preisgegeben und auch Maja konnte bei mir durch ihre teilweise etwas forsche, aber auch ehrgeizige Art sehr punkten. Pia, Dornachs Tochter, die mich mit ihrem ganz eigenen Kopf schon letztes Mal beeindruckt hat, hat auch dieses Mal für viel Wirbel gesorgt. Aber auch alle anderen Mitspieler sind toll gezeichnet, bei Janas Aufpasser und Kollegen Horacek angefangen, von dem Google behauptet „Ja wirklich ein netter Kerl, etwas steif, aber-“, über Staatsanwalt Hoffmann, dem ich Gift geben könnte wegen seiner schmierigen Art, bis hin zu Doro Schubinger, der Journalistin die sich für die Wahrheit einsetzt, ungeachtet ihres Vaters. der der Patriotischen Fortschrittspartei angehört.

Ich liebe Regionalkrimis vor allem auch wegen dem Lokalkolorit und auch hier hat mich der Autor nicht enttäuscht. Auch wenn ich noch nie in Solothurn war, hatte ich das Gefühl mit vor Ort zu sein, wenn sich die Ermittler z.B. in der „Grünen Fee“ nach Feierabend noch einen Absinth gönnen, wenn die tote Nonne alle zur alten „Einsiedelei“ an der Verenaschlucht führt, oder wenn jemand bei seiner Flucht von der Rötistraße, Richtung Schützenmatt beinahe das Bipperlissi überfährt. Das ss, weil es kein ß gibt, und auch einige Schweizer Begriffe, die sich aber alle in einem Register am Ende befinden, fehlen ebenfalls nicht.

Alles in allem ein brisanter, fesselnder Pageturner, der mit sympathischer Besetzung in die Schweiz entführt und in keinem Krimiregal fehlen sollte. Begeisterte 5 Sterne und ich fiebere schon jetzt der Fortsetzung entgegen.

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